- Gut zu wissen
Methoden der Pflanzenzüchtung
Von Auslese bis Gen-Revolution
Foto: BASF SE
Die meisten Pflanzen, die in unseren Gärten wachsen, sind Züchtungen, also Sorten, die von Züchtern in mehr oder weniger aufwändigen Prozessen entwickelt wurden. Die Methoden, mit denen die Züchter dabei ans Werk gehen, sind höchst unterschiedlich. Mal vertrauen sie auf den Zufall und versuchen Mutationen auszulösen, mal selektieren sie über Jahre Pflanzen mit bestimmten Eigenschaften. Immer mehr setzen sie auch auf gentechnische Methoden.
Auslese der Besten
Die Auslesezüchtung stellt die älteste Form der Pflanzenzüchtung dar. Hier werden über Jahre immer wieder Pflanzen mit gewünschten Eigenschaften ausgelesen und untereinander vermehrt. Die Massenauslese von Pflanzen kommt bei der Entwicklung neuer Sorten heute kaum noch zum Einsatz. Sie ist relativ arbeits- und flächenintensiv, und die Züchter haben das Problem, die Pflanzen nur nach dem äußeren Erscheinungsbild beurteilen zu können. Pflanzen, die gleich aussehen, haben aber nicht immer dieselben Erbanlagen.
Da die Auslesezüchtung aber ohne besondere technische Voraussetzungen möglich ist, bietet sich die Auslese besonders beim Erhalt von alten Sorten oder für Kleingärtner mit züchterischen Ambitionen an.
Foto: BASF SE
Klassisch kreuzen
Mit Anfang des 20. Jahrhunderts setzten immer mehr Züchter auf die Kreuzungszüchtung, also die Kreuzung von Pflanzen derselben Art. Sie ist mit vielen Unwägbarkeiten verbunden, denn in den Nachkommen vermischen sich die Erbanlagen der Elternpflanzen unkontrolliert und zufällig. So können durch Kreuzung einer bekannten Sorte mit einer pilzresistenten Wildpflanze zwar die Resistenzeigenschaften auf die Kultursorte übertragen werden, gleichzeitig können aber auch unerwünschte Eigenschaften, wie bitterer Geschmack, weitergegeben werden. Bei der Kreuzungszüchtung können so bis zu 30 Jahre vergehen, bis eine neue Sorte auf den Markt kommt.
Heute beschleunigt der Einsatz moderner molekularbiologischer Methoden das Verfahren. Mit dem SMART-Breeding (Präzisionszüchtung durch markergestützte Selektion) können die Pflanzen auf das Vorhandensein spezifischer eingekreuzter Gene untersucht werden, die im positiven Fall weiterkultiviert werden. Der Züchter ist nicht mehr darauf angewiesen, die Pflanzen anhand von äußeren Merkmalen zu beurteilen, die sich mitunter erst nach Jahren zeigen. Er kann bereits bei ganz jungen Pflanzen prüfen, ob die gewünschte Gen-Kombination vorliegt.
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Die Hybridzüchtung
Bei Auslese und Kreuzung entstehen mehr oder weniger einheitliche Sorten, die beständig sind und vermehrt werden können. Sie stehen den Hybridsorten (F1-Hybriden) gegenüber. Diese sind zwar auch einheitlich, übertragen aber ihre Eigenschaften nicht vollständig auf ihre Nachkommen.
Die Hybridzüchtung verbreitete sich ab ca. 1920. Bei ihr werden zwei reinerbige Elternlinien mit einem herausragenden Merkmal miteinander gekreuzt. So entstehen die F1-Hybriden (1. Filialgeneration), die z.B. robuster oder ertragreicher sind als ihre Eltern. Werden die F1-Hybriden untereinander gekreuzt, geht in der Folgegeneration (F2) das vorteilhafte Merkmal z.T. wieder verloren.
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Mutanten gesucht
Züchter behandeln seit den 1970er Jahren Pflanzen auch mit Röntgenstrahlen oder mit bestimmten Chemikalien, um in diesen zufällige Mutationen auszulösen. Die genetisch veränderten Pflanzen müssen danach analysiert und auf die gewünschten Merkmale hin überprüft werden. Bei Pflanzen, die z.B. eine gewünschte Blütenfarbe aufweisen, muss der Züchter unerwünschte Mutationen ausschließen, bevor er sie in den Handel bringt. In der Vergangenheit sind beispielsweise Kartoffeln mit schädlichen Inhaltsstoffen als Folge ungewollter Mutationen entstanden.
Kleine Auswahl
Von weltweit ca. 390.000 bekannten Pflanzenarten finden etwa 160 in größerem Umfang Verwendung als Kulturpflanzen in der Pflanzenzüchtung. Ca. 95 % der pflanzlichen Nahrungsmittelproduktion für die Welternährung basieren auf rund 30 Nutzpflanzenarten, allen voran Reis, Weizen, Mais und Soja.
Veränderungen des Erbgutes
Seit 20 Jahren werden Methoden entwickelt und diskutiert, mit denen die Züchter das Erbgut von Pflanzen zielgerichtet verändern können, indem sie z.B. Mutationen in der Pflanzenzelle präzise und punktgenau auslösen. Die vielfältigen molekularbiologischen Techniken dafür werden unter dem Begriff Genome Editing zusammengefasst.
Mit der Cisgenetik (Gentechnik innerhalb der Artgrenzen) können die Züchter etwa ein Resistenz-Gen gezielt in eine Pflanze einbringen. Dazu nutzen sie – analog zur klassischen Kreuzungszüchtung – eine artverwandte Pflanze mit einem entsprechenden Resistenz-Gen. Dieses Gen isolieren sie und „bauen“ es mithilfe von Bakterien in das Erbgut einer Pflanze ein. Dabei greifen sie direkt in das Erbgut der Empfängerpflanze ein. Den genauen Ort, an dem das Gen in das Erbgut der Pflanze eingefügt wird, können die Züchter aber nicht gezielt ansteuern.
Mit dem zurzeit vielfach diskutierten CRISPR/Cas-System können Züchter relativ einfach mit verschiedenen Werkzeugen punktgenau Veränderungen der Erbsubstanz vornehmen. Mit einer „Sonde“ (CRISPR) können sie DNS-Bausteine punktgenau ansteuern und mit einer molekularen „Schere“ (Cas9) den DNS-Strang an der angesteuerten Stelle durchtrennen. Und mit einer „Verkopplungs-RNS“ können sie den zuvor erzwungenen Bruch reparieren und eine neue Erbinformation einfügen.
CRISPR/Cas wird die Pflanzenzucht grundlegend verändern. Die Züchter werden immer mehr Sorten mit immer ungewöhnlicheren Eigenschaften entwickeln. So wird zurzeit daran gearbeitet, ein Resistenzgen der Gerste über ein Bakterium in eine Weizen-Zelle einzuschleusen und damit eine neue, mehltauresistente Weizensorte zu entwickeln. Vor Kurzem wurde auch eine samenlose (parthenokarpe) Tomate gezüchtet, die ertragsstabiler ist, da sie nicht bestäubt werden muss.
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Wohin geht die Reise?
Mit den neuen gentechnischen Verfahren treten verstärkt ethische Fragen in den Fokus, die noch geklärt werden müssen, z.B. inwiefern es etwa problematisch ist, dass mit dem CRISPR/Cas-System auch artfremde Gene in ein Genom eingeschleust werden können und die natürliche Schranke zwischen den Arten so durchbrochen wird (Transgentechnik). Fraglich sind auch die langfristigen Folgen der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen, die gesundheitlichen Folgen durch den Verzehr gentechnisch veränderter Lebensmittel und wer für mögliche Fehlentwicklungen die Verantwortung trägt. Außerdem ist grundsätzlich noch zu klären, ab wann eine Pflanze oder ein Organismus als gentechnisch verändert gilt und somit unter das Gentechnik-Recht fällt.
Besonders für die Nahrungsmittelproduktion hat die Pflanzenzüchtung eine große Bedeutung. Dabei beschränkt sich die Züchtungsarbeit heute im Wesentlichen auf wenige große Firmen, die neue Sorten in aufwändigen Verfahren entwickeln und dann das Saatgut oder vegetativ vermehrte Klone produzieren. Je komplizierter und aufwändiger die Züchtungsmethoden, desto größer wird der Einfluss einzelner Zuchtfirmen und Saatgutspezialisten.
Ulrike Brockmann-Krabbe
Landesfachberaterin des Landesverbandes
Westfalen und Lippe der Kleingärtner