- Gut zu wissen
Wie werden Obstbäume produziert?
Von der Unterlage bis zum Hochstamm
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Sicher haben Sie in Ihrem Garten schon Obstbäume und andere Gehölze gepflanzt. Doch wissen Sie auch, wo etwa Ihr Apfelbaum seine Kindheit verbracht hat und wie viele Arbeitsschritte nötig waren, bis Sie ihn kaufen konnten?
Obstsorten lassen sich nicht sortenrein über Samen vermehren. Daher werden sie auf Unterlagen veredelt. Dabei wachsen zwei Pflanzen, die Unterlage und das Edelreis (die gewünschte Sorte), zu einer Pflanze zusammen.
Etliche Baumschulen in Deutschland haben sich auf die Produktion von Obstgehölzen spezialisiert. Der Prozess von der Veredelung bis zum verkaufsfertigen Apfelbaum durchläuft mehrere Phasen und dauert zwei bis drei Jahre, bei Hochstämmen drei bis vier Jahre.
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Unterlagen aus Samen ziehen
Unterlagen für Äpfel können entweder aus Samen gezogen werden, sog. Sämlingsunterlagen, oder über Pflanzenteile vermehrt werden. Es gibt Baumschulen, die sich auf die Anzucht von Unterlagen für den Obstbau spezialisiert haben. In der Regel ziehen Obstbaumschulen ihre benötigten Unterlagen nicht selbst an, sondern kaufen sie von diesen Spezialisten zu.
Als Sämlingsunterlagen für Äpfel werden vor allem die Sorten ‘Grahams Jubiläum’ und ‘Bittenfelder’ vermehrt. Das Saatgut wird von speziellen Bäumen aus Mutterpflanzenquartieren gewonnen. So ist sichergestellt, dass die Nachkommen möglichst einheitlich sind und die gewünschten Eigenschaften aufweisen.
Um zu keimen, benötigt das Saatgut eine Spezialbehandlung: Es wird in feuchten Sand gelegt und über den Winter bei Temperaturen um 4 °C eingelagert. Dieses Verfahren, um die Keimung zu beschleunigen und die Keimrate zu erhöhen, wird Stratifikation genannt. So wird die Keimhemmung aufgehoben, die in der Natur das Keimen der Samen im Herbst und Winter verhindert.
Danach erfolgt im Frühjahr die Aussaat der Apfelkerne im Saatbeet. Nach einigen Wochen werden die Sämlinge auf dem Beet maschinell unterschnitten, d.h. die Pfahlwurzeln werden gekappt, sodass sich die Wurzeln besser verzweigen. Die Unterlagen wachsen nun eine Saison und werden im Herbst gerodet, nach Sprossstärke sortiert und als einjährige Sämlinge verkauft. Zu schwache Exemplare werden wieder aufgepflanzt und im nächsten Herbst als zweijährige verschulte Sämlinge verkauft.
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Unterlagen durch Abrisse
Unterlagen werden auch über Abrisse, Stecklinge, Steckholz, Absenker oder über Gewebekultur gewonnen. Bei dieser ungeschlechtlichen (vegetativen) Vermehrung sind die Mutterpflanzen und die Nachkommen genetisch identisch und somit in allen Eigenschaften gleich.
Vegetative Apfelunterlagen werden überwiegend durch Abrisse vermehrt. Hierzu werden die Mutterpflanzen auf speziellen Vermehrungsbeeten aufgepflanzt und mehrfach angehäufelt. So bilden sich an der Triebbasis viele Wurzeln. Im Herbst werden die bewurzelten Triebe bodennah maschinell abgeschnitten, sortiert und verkauft. Auch hier werden schwächere Exemplare ein weiteres Jahr aufgepflanzt und als zweijährige verschulte Abrisse verkauft. Die Mutterpflanzenquartiere werden mehrere Jahre genutzt.
Wahl der passenden Unterlage
Mit der Wahl der Unterlage lässt sich das Wuchsverhalten der Bäume bestimmen. So werden für Apfelhochstämme und -halbstämme stark wachsende Sämlingsunterlagen verwendet. Für Buschbäume, die ja nicht so hoch werden sollen, nimmt man ausschließlich vegetativ vermehrte Unterlagen (siehe Tabelle). Auch die Bodenqualität am zukünftigen Standort des Baums im Garten spielt bei der Wahl der Unterlage eine wichtige Rolle: Für leichte bis mittlere Böden sollte eine mittelstark wachsende Unterlage, für schwere, fruchtbare Böden eine schwach wachsende Unterlage gewählt werden.
Die Unterlage bestimmt neben dem Wuchsverhalten auch den Ertragsbeginn, die Ertragshöhe und den Ertragsverlauf des Baumes. Achten Sie beim Kauf eines Obstgehölzes also auf jeden Fall darauf, welche Unterlage verwendet wurde. Die Angabe finden Sie i.d.R. auf dem Sortenetikett. Bevorzugen Sie für kleinere Gärten schwach oder mittelstark wachsende Unterlagen, um nicht später die Überraschung zu erleben, dass die Früchte zu hoch hängen und der Baum Ihnen und den Nachbarn den ganzen Garten beschattet.
Wuchsstärke von Veredelungsunterlagen
Schwach wachsend | M27, M9, B9, M26, Malus Pi-80® |
Mittelstark wachsend | MM106, M7, M4, MM111, D2212 |
Stark wachsend | A2, M11, M25, Sämling |
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Aufpflanzen und okulieren
In den Obstbaumschulen werde die zugekauften Unterlagen im März/April in Reihen ausgepflanzt (aufgeschult) – im Reihenabstand von 90–120 cm und Pflanzenabstand von 30–40 cm. Eine gute Wasserversorgung ist wichtig, damit die Pflanzen schnell anwachsen.
Im Zeitraum von Juli bis August führen die Betriebe dann die Augenveredelung (Okulation) durch. Die hierfür benötigten Edelreiser gewinnen die Obstbaumschulen von eigenen Mutterpflanzen oder kaufen sie aus zertifizierten Muttergärten zu. Dazu verwenden sie im selben Jahr gewachsene, kräftige Triebe, vor allem von der Außenseite der Krone, die viel Sonnenlicht bekommen hat. Für jeden zu veredelnden Baum wird ein Auge (eine ruhende Triebknospe) des Edelreises mit einem scharfen Okuliermesser herausgetrennt.
Der Veredler schneidet die Rinde der Unterlage T-förmig ein (T-Schnitt). Dann klappt er die beiden Rindenflügel auf und schiebt das Auge ein. Anschließend verbindet er die Veredelungsstelle mit einem Schnellverschluss aus Kautschuk. Veredelungen werden von speziell qualifizierten Mitarbeitern durchgeführt. Da die Bäume in 10–20 cm Höhe über dem Erdboden okuliert werden, ist die Arbeit in gebückter Haltung sehr anstrengend.
Schneiden und erziehen
Ist die Veredelung gelungen, ist also das schlafende Auge mit der Unterlage zusammengewachsen, erfolgt im Februar/März ein Rückschnitt der Unterlage. Diese wird direkt oberhalb des Edelauges abgeschnitten, Baumschuler nennen das: Absetzen der Unterlage. Das Edelauge treibt aus und bildet zuerst einen unverzweigten Trieb und später, ja nach Sorte, schon einige kleine Seitentriebe. Der Haupttrieb wird an einem Stab befestigt und gerade nach oben geführt, sodass der neue Obstbaum einen geraden Stamm entwickelt. Die Wildtriebe, also die Triebe, die aus der Unterlage kommen, werden regelmäßig entfernt.
Wenn der senkrechte Haupttrieb hoch genug gewachsen ist, erfolgt im Januar/Februar des nächsten Jahres der Kronenanschnitt, der Haupttrieb wird also in einer bestimmten Höhe abgeschnitten. Für einen Halbstamm liegt die Höhe für den Anschnitt bei 100–120 cm, für einen Hochstamm bei mindestens 180 cm (das ist die spätere Stammhöhe) plus etwa sechs Knospen. Aus ihnen entwickeln sich später die vier Kronenäste, die möglichst gleichmäßig verteilt sein sollen.
Nach drei bis vier Standjahren ist das Obstgehölz also verkaufsfähig. Vor dem Verkauf werden die Bäume sortiert. Der Verkauf erfolgt dann im Herbst und im Frühjahr.
Winterhandveredelung
Neben der Okulation ist auch die Kopulation eine wichtige Vermehrungsmethode für Obstbäume. Sie bietet den Vorteil, dass sie in geschützten Räumen an Arbeitstischen durchgeführt werden kann und wird dann Winterhandveredelung genannt. Beim Kopulieren müssen Unterlage und Edelreis etwa gleich stark sein. Beide werden schräg angeschnitten, sodass die Schnittflächen aneinanderpassen, mit einem Kunststoff- oder Gummiband verbunden und einem Wundverschlussmittel verstrichen. Diese Veredelungsmethode führen die Baumschulen von Januar bis etwa Ende Februar durch. Danach werden wurzelnackte Veredelungen in Container getopft oder im Freiland aufgepflanzt. Bei Bedarf werden sie vorher noch einige Wochen im Kühllager zwischengelagert.
Angebot und Pflanzzeit
Grundsätzlich haben Sie bei Obstbäumen die Wahl zwischen wurzelnackten Pflanzen (ohne Ballen, o.B.), Pflanzen mit Ballen (m.B., meist ältere Hochstämme), und Containerpflanzen (Co.). Wurzelnackte und Ballenpflanzen werden nur im Herbst – solange der Boden offen ist – und Frühjahr verkauft und gepflanzt. Containerpflanzen können Sie auch im Sommer einpflanzen, sollten dann aber auf eine gute Wasserversorgung achten.
Sven Wachtmann
Vorstandsmitglied für Fachberatung
im Landesverband Berlin der Gartenfreunde