- Kleingartenwesen
Abschied von der Parzelle
Foto: olcayduzgun/Adobe Stock
Von allem im Leben heißt es irgendwann einmal Abschied zu nehmen. Man muss es nur genossen haben, und man muss in der Zeit glücklich gewesen sein, ob es nun ein großer oder kleiner Erfolg war.
(frei nach Götz George, 1938–2016)
50 Jahre lang hat Hubert seine Parzelle bewirtschaftet, in guten wie in schlechten Zeiten, und der Garten ist spätestens nach Eintritt der Rente zum Mittelpunkt seines Lebens geworden. Sogar über den Tod seiner Frau hat er ihn schließlich hinweggetröstet, und der Garten ist bis jetzt die Quelle geblieben, aus der er Kraft und Lebensmut bezogen hat.
Nun aber, da er die 80 längst überschritten hat, wird vieles mühselig, und manches geht nur noch mit fremder Hilfe. Es ist der Tag gekommen, an dem er seinen Garten aufgeben muss.
In dieser Situation begegnete ich Hubert. Ich war unsicher, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte angesichts dieses sehr dramatischen Einschnitts in seinem Leben, der ihm jetzt bevorsteht.
Schmerzhafte Einschnitte Foto: MarkusL/Adobe Stock
Öfter schon traf ich Gartenfreunde, die ihre Laube aufgegeben haben. Da war zum Beispiel Marianne, deren Garten wegen einer geplanten Industrieansiedlung geräumt wurde. Sie nahm das widerstrebend hin, nachdem sie eine Zeitlang zusammen mit anderen Betroffenen sich vehement, aber am Ende doch vergeblich öffentlich für den Erhalt des Gartengeländes stark gemacht hatte. Mariannes kommunikative Art hat sie jetzt in einem der benachbarten Vereine schnell wieder heimisch werden lassen.
Oder beispielweise Eva und Bernd, die den „Spagat zwischen Job und Leben“ wie sie es nannten, nicht mehr hinbekamen. „Der Garten nimmt uns zu viel Zeit neben der Arbeit“, beschieden sie und kündigten. Ob sie mit dieser Einstellung glücklicher geworden sind, ist mir nicht bekannt.
Charly und Pit haben kürzlich auch ihren Garten aufgegeben, was mich sehr verwunderte. Sie sind zwar auch schon an die 70, aber ihr Garten war immer tipptopp, und sie waren im Verein sehr beliebt. Man konnte sich immer auf sie verlassen, wenn Rat oder Tat gefragt war, und die Grillfeste auf ihrer Parzelle waren legendär.
Warum geben solche Leute, die doch eigentlich noch nicht alt genug dafür sind, den Garten auf? „Wir haben immer das richtige Alter und finden stets heraus, wofür“, sagten sie sibyllinisch. „Unseren Garten haben wir geliebt und waren in ihm glücklich, und um dieses in unserem Leben festzuhalten, verlassen wir ihn rechtzeitig!“
Foto: Анна Иванова/Adobe Stock
Solidarität für die Älteren
Diese Beispiele für Menschen, die ihre Laube aufgegeben haben – und die anderen, die ich kenne – halfen mir nicht weiter, als ich Hubert gegenüberstand, betrafen sie doch Leute, die ihren Garten mochten oder sogar geliebt haben, aber nicht mit ihm verheiratet waren. Die Trennungen waren einvernehmlich, es gab hier und da vielleicht ein paar Tränen, aber auch immer neue Ufer.
Leider gibt es auch einige Menschen, die in ein Loch fallen, wenn sie den geliebten Garten aufgeben müssen. Schlimm ist es, wenn sie in dieser Situation allein bleiben. Das ist eine Lage, die natürlich nicht nur Gartenfreunde betrifft, hier ist die gesamte Gesellschaft gefragt. Es bleibt nichts als ein Appell an uns alle, Solidarität für die allein gelassenen Älteren aufzubringen.
Was nun Hubert betrifft: Er nimmt es gelassen: „Es ist, wie es ist“, sagt er, „Es war eine schöne Zeit, und ich bin in meinem Garten glücklich gewesen. Sicherlich wird es Tränen geben. Aber das Leben geht weiter – und außerdem, meine Tochter hat einen kleinen Garten ums Haus, in dem ich mich noch nützlich machen kann.“
Hubert macht mir Mut. Er ist in einem schon fast philosophischen Sinne einverstanden mit seinem Schicksal. Ich habe großen Respekt vor seiner Haltung in dieser ja eigentlich frustrierend erscheinenden Situation. Von Hubert will ich lernen.
Klaus Lies
Schriftführer des Landesverbandes
der Gartenfreunde Bremen