- Kleingartenwesen
„Aha“-Erlebnisse am Gartenzaun
Foto: Deutsches Kleingärtnermuseum Das Deutsche Kleingärtnermuseum in Leipzig gibt es nun seit fast 20 Jahren. In den turbulenten Nachwendejahren wurden die erforderlichen Weichen für die Einrichtung gestellt. Besonders unterstützt wurde die Museumsidee vom damaligen Präsidenten des BDG, Günter Gartz. Zu den ersten Mitgliedern des Fördervereins gehörten 1992 Gartenfreunde aus Baden-Württemberg, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen.
Seit der Eröffnung im Jahr 1996 haben zehntausende Besucher die Dauerausstellung und Außenanlagen besucht. Neben der weltweiten Einmaligkeit liegt der besondere Reiz des Museums im authentischen Standort: der denkmalgeschützten Gartenanlage des ersten Schrebervereins.
Entwicklung der Kleingärten
Die Entwicklung des Kleingartenwesens begann vor über 200 Jahren. Nachfolgend bildeten sich sechs Ursprungslinien heraus: die Armengärten, die Schreberbewegung, die Gärten von Betrieben und Institutionen, die Gärten der Naturheilbewegung, die Arbeitergärten des Roten Kreuzes und die Berliner Laubenkolonisten. Alle verfolgten das gleiche Ziel: das Gärtnern in der Stadt für viele überhaupt erst möglich zu machen.
Sozialer Wandel, Veränderungen in der Gesellschaft und die Industrialisierung verschoben das Gefüge von Land- und Stadtbevölkerung erheblich. Die Städte wuchsen rasant, große Fabriken entstanden, und die Wohnungsnot verschlimmerte sich drastisch. Der überwiegende Teil der armen Stadtbevölkerung litt unter Mangelernährung und sehr schlechten wohnhygienischen Verhältnissen.
Der Gründung von Gartenanlagen nahmen sich überwiegend gut situierte Bürgerliche an, die sowohl über die finanziellen Möglichkeiten als auch über gesellschaftliche und soziale Kontakte verfügten. Die Beweggründe waren mitunter unterschiedlich – das beabsichtigte Ziel jedoch gleich. Vielerorts konnten so Anlagen für breite Bevölkerungsgruppen geschaffen werden, an deren Stelle sonst im Zuge der Stadterweiterungen gebaut worden wäre.
Bekräftigung durch Geschichte
Die heutige Freizeitkultur des Kleingärtnerns findet in den geschichtlichen Entwicklungsschritten wesentliche Bekräftigung für ihr weiteres Fortbestehen. Viele der heute angeführten Argumente für den Erhalt von Kleingartenanlagen haben einen historischen Hintergrund. Viele Debatten und Zusammenkünfte unzähliger Entscheidungsträger waren notwendig, um Kleingärten in ihrem Bestand dauerhaft zu sichern, bezahlbar zu machen und als Teil des Stadtbildes zu verfestigen. Dazu war die Herausbildung einer funktionierenden Verbands- und Vereinsstruktur notwendig.
Bewusstsein schaffen
Kleingärten sind heute ein allgegenwärtiger Anblick und werden oftmals auch von Nicht-Kleingärtnern als wohltuende Ruhe-Oasen wahrgenommen. Den wenigsten ist bewusst, welche sozialen, politischen und wirtschaftlichen Einflüsse das Tun der Kleingärtner dabei auf die Gesellschaft hatte und weiterhin hat.
Das Museum bietet mit seinen zahlreichen Funktionen und Bereichen vielfältige Möglichkeiten, die Zusammenhänge des Kleingartenwesens mit der Kultur-, Stadt- und Wirtschaftsgeschichte zu verstehen und sich damit auseinanderzusetzen.
Ausstellung und Schaugärten
Neben der Dauerausstellung werden wechselnde Kabinettausstellungen präsentiert, die sich einzelnen Themen der Kleingartengeschichte annehmen.
In den drei Schaugärten inmitten der denkmalgeschützten Gartenanlage sind verschiedene Zeitabschnitte exemplarisch dargestellt. Der Museumsgarten verdeutlicht anhand seines Aufbaus, der Auswahl der Pflanzen und der seit 1880 am Standort befindlichen Laube die um die Jahrhundertwende übliche Bewirtschaftung eines Nutzgartens. Der Laubengarten präsentiert vier Lauben aus der Zeit von 1890 bis 1925. Und im VKSK-Garten erhält man einen Einblick in die Kleingartennutzung in der DDR.
Foto: Deutsches Kleingärtnermuseum
Für weitergehende Studien stehen die hauseigene wissenschaftliche Schriftenreihe und Publikationen zur Verfügung. Ebenso können die Archivbereiche und die Bibliothek für wissenschaftliche Zwecke und chronistische Arbeiten eingesehen werden.
Anreize für einen Besuch bieten Aktionstage und Veranstaltungsreihen, z.B. die Leipziger Mu%seumsnacht, der Internationale Museumstag oder der Tag des offenen Denkmals.
Aufgaben und Zukunft
Foto: Deutsches Kleingärtnermuseum Im Allgemeinen kann man die Institution Museum wie folgt definieren: Es ist eine gemeinnützige, ständige, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienst der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zu Studien-, Bildungs- und Unterhaltungszwecken Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und ausstellt.
Dies leistet das Deutsche Kleingärtnermuseum seit nun fast zwei Jahrzehnten. Zudem wird intensiv an einer Neukonzeption gearbeitet. Die zukünftige Ausrichtung soll neben dem historischen Bereich auch die Themen „Gesellschaft“ und „Natur“ mit aufgreifen. Verknüpft mit dem Anspruch, ein Forum für alle geschichtlich an Gärten Interessierten zu sein, wird eine regelmäßige Veranstaltungsreihe geschaffen, in der zu Workshops, Lesungen und Vorträgen eingeladen wird. Langfristig ist ebenfalls die Einrichtung eines weiteren Gartens für Museumspädagogik und Veranstaltungen vorgesehen.
„Aha“-Erlebnisse
Unsere Gäste bestätigen uns immer wieder, dass der Besuch bei uns mit einem großen „Aha“-Erlebnis verbunden ist. „Das hätten wir so gar nicht erwartet“ oder „Das war richtig interessant“ sind die häufigsten Aussagen, die uns natürlich in unserer Arbeit bestärken.
Ob als Einzelgast oder Teilnehmer einer Führung: Jeder kann sich der Geschichte der Kleingärten annähern und die heutige Bedeutung der Kleingärten anhand geschichtlicher Fakten nachvollziehen und erkennen.
Man sollte also nicht nur in seinem Garten immer mal wieder nach rechts und links über den Zaun schauen, sondern den Blick zurück wagen und der Gegenwart über die Auseinandersetzung mit der Geschichte begegnen.
Mehr über das Kleingartenmuseum erfahren Sie auf www.kleingarten-museum.de
Caterina Hildebrand
Leiterin Deutsches Kleingärtnermuseum