- Kleingartenwesen
Der Sprung ins kalte Wasser
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Wahlen im Kleingartenverein – und es herrscht Ruhe im Saal – wie so oft. Auch im „Kleingärtnerverein Rothenhausen“ in Lübeck ist dies im März 2019 nicht anders. Kein Mitglied traut sich, seine Hand zu heben. „Mach Du das doch, Du hast Zeit! Du brauchst nicht viel zu tun, nur Anwesenheit zeigen und durch die Gegend fahren“, hört man es in den Reihen der Mitglieder murmeln.
„Diese Worte habe ich heute noch im Ohr. Zögerlich habe ich mich dann zur Wahl für die Vorsitzende aufstellen lassen und den Sprung ins kalte Wasser gewagt“, erinnert sich Heidi Schwabe, heute die Vorsitzende des Vereins mit 322 Parzellen. Zusammen mit der 61-Jährigen stellt sich Manfred Behrmann als stellvertretender Vorsitzender zur Wahl. „Genau wie Heidi habe ich auch erst gezögert, schließlich wusste ich nicht, was mich erwartet.“
Nachfolge nicht geregelt
Eine Wahl, bei der sich die Kandidaten nur spontan zur Wahl stellen – eine Situation, die viel zu oft vorkommt. Offenbar hatte es der scheidende Vorstand versäumt, sich rechtzeitig um seine Nachfolge zu kümmern, also Bewerber zu suchen, sie darüber zu informieren, was sie erwartet und sie vielleicht auch nach der Wahl bei der Einarbeitung in das Amt zu unterstützen.
Foto: Schiller„Es hat keine Schlüsselübergabe gegeben, und wir standen in einem unaufgeräumten Büro“, erinnert sich Manfred Behrmann. „Wir mussten ganz von vorne anfangen, hatten noch nicht einmal die Passwörter für die PCs“, ergänzt Heidi Schwabe. „Die Buchhaltung war nicht ordentlich, Außenstände an Pachten etwa konnten wir dann erst nach mühseliger Kleinarbeit bearbeiten, die Mitgliederkartei mussten wir neu sortieren.“
Zum Glück für die beiden war die Geschäftsstelle des Kreisverbandes Lübeck der Gartenfreunde nur 300 m vom Vereinshaus entfernt. „Unser erster Weg als neu gewählte Vorsitzende führte uns dorthin. Wir wollten wissen, was uns erwartet“, so Heidi Schwabe. Die beiden Einsteiger setzten sich mit dem Kreisverband zusammen und besprachen, was jetzt zu tun ist, etwa beim Schriftverkehr oder der Buchführung. „Diese enge Zusammenarbeit hilft uns bis heute, dafür sind wir sehr dankbar!“
Erfolgreich gegen Leerstand
„Die Kleingartenanlage war im desolaten Zustand und musste neu geordnet werden. Vorgaben durch das Bundeskleingartengesetz wurden von uns durchgesetzt und leere Parzellen mit einem neu angeschafften Bagger zur Verpachtung wieder freigemacht“, schildert Behrmann die Aufgaben, die es anfangs zu bewältigen galt.
Weitere Geräte für die Bewirtschaftung leerer Parzellen wurden angeschafft und aus dem ÖKO-Fonds des Kreisverbandes Lübeck finanziert. Bis dahin hatten die Gartenfreunde dafür ihre eigenen Werkzeuge und Maschinen eingesetzt. Die Vorsitzenden ließen ebenso den Müll von der Anlage für viele tausend Euro abtransportieren.
„Es sprach sich herum, dass Heidi und ich etwas in der Anlage bewegen. Ebenso, dass vielen Nichtzahlern gekündigt wurde oder sie zur Zahlung herangezogen wurden“, so Behrmann. Schwabe und Behrmann packten an, zögerten nicht, Probleme anzugehen, auch wenn dies manchmal schwer war. Dafür versuchten sie, jeden Tag in der Anlage für die Pächter ansprechbar zu sein. Der Lohn: Die Moral der Pächter in Bezug auf die Gemeinschaftsarbeit stiegt enorm, der Leerstand sank auf fast null.
Mehr als Verwaltung
Mit der erfolgreichen Verwaltung des Vereins war noch lange nicht Schluss, die beiden Vorsitzenden schoben zahlreiche Projekte an. „Von uns wurden zwei Streuobstwiesen angelegt, in Arbeit sind ein Seniorengarten sowie eine Parzelle für die Ferienpassaktion und eine Schulklasse“, schildert Heidi Schwabe.
Bis heute sind beide noch hoch motiviert und wollen weitermachen. Für ihre Leistungen wurden Heidi Schwabe und Manfred Gehrmann aber schon jetzt mit der bronzenen Ehrennadel des Landesverbandes Schleswig-Holstein der Gartenfreunde ausgezeichnet.
Hans-Dieter Schiller
Vorsitzender des Landesverbandes
Schleswig-Holstein der Gartenfreunde