- Kleingartenwesen
Europäische Kleingartenbewegung
Foto: Zentralverband der Kleingärtner und Siedler Österreichs
In einer Zeit, in der die Lebensverhältnisse der Menschen durch den sich verstärkenden Klimawandel und aktuell zusätzlich durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine bestimmt werden, ist die konstruktive Zusammenarbeit auf internationaler Ebene wichtiger denn je. Das gilt für die Bewältigung der Klimakrise, die die Fortexistenz allen Lebens auf der Erde gefährdet, in besonderem Maße. Was aber hat dies mit den Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern zu tun?
Nahrung und Schönheit
Das Gärtnern ist eine Kulturleistung des Menschen, die bereits seit Jahrtausenden gepflegt wird. Dafür gibt es viele Gründe. Dazu zählen insbesondere das Bemühen der Menschen, Pflanzen zur Nahrungsbeschaffung zu kultivieren, aber auch die Schönheit der Zierpflanzen zu entwickeln und zu pflegen.
Das Kleingartenwesen hat mehrere historische Wurzeln. Vor über 200 Jahren begann etwa in Deutschland die Schaffung von Kleingartenanlagen. In Kappeln an der Schlei stellte die Kirche Pächterinnen und Pächtern Gartenflächen zur Verfügung, um den Menschen eine Selbstversorgung mit Obst und Gemüse zu ermöglichen. Gleiches taten Industrieunternehmen für ihre Belegschaften oder karitative Einrichtungen wie das Deutsche Rote Kreuz. Der Gedanke der Selbstversorgung war und ist einer der Grundpfeiler des Kleingartenwesens in Deutschland.
Über Ländergrenzen hinweg
Wenngleich die Kleingärtnerei in Deutschland aus historischen Gründen einen besonderen Stellenwert hat, so ist das Kleingartenwesen kein allein deutsches Thema. Im Gegenteil: In vielen europäischen Ländern gibt es seit über 100 Jahren ähnliche Bestrebungen und Entwicklungen.
Dem immer gleichen wie richtigen Prinzip „Einigkeit macht stark“ folgend schlossen sich bereits am 3. Oktober 1926 in Luxemburg mehrere nationale Verbände zu einem internationalen Verband zusammen. Dies ist umso bemerkenswerter, als der Erste Weltkrieg gerade sieben Jahre vergangen war.
Die „Fédération Internationale des Jardins Familiaux“ (Internationale Föderation der Familiengärten) vereint heute die nationalen Verbände aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Japan, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Schweden und der Schweiz zu einem starken Verband. Auf www.jardins-familiaux.org finden Sie dazu weitere Informationen.
Gemeinsam fit für die Zukunft
Die Fédération Internationale hat ihren Sitz in Luxemburg. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen sich die nationalen Verbände auf der internationalen Ebene gegenseitig. Dies geschieht regelmäßig durch gemeinsame Treffen und insbesondere durch mehrtägige Studientagungen und Kongresse, abwechselnd ausgerichtet von den nationalen Verbänden. Die diesjährige Studientagung fand vom 17.–20. August in Stockholm statt und wurde vom schwedischen Verband ausgerichtet. Zur Diskussion stehen im Rahmen der Veranstaltungen der Fédération Internationale aktuelle Fragen des Kleingartenwesens, des Umwelt-, Natur- und Klimaschutzes und ganz allgemein: der Erfahrungsaustausch.
Die Fédération Internationale gibt unter anderem halbjährlich die Zeitschrift „Bindestrich“ heraus, koordiniert den Informationsaustausch zwischen den nationalen Verbänden und wirkt mit fachlichen Beiträgen auf die europäische Ebene der Politik, den Europarat und auf die Europäische Kommission ein.
In Zeiten wie diesen dürfte allen verständigen Bürgerinnen und Bürgern klar sein, dass die internationale Zusammenarbeit, und zwar auf allen gesellschaftlichen Ebenen, das Gebot der Stunde ist. So leistet auch das Kleingartenwesen seinen Beitrag zur Stabilisierung und Verbesserung der Verhältnisse. In diesem Sinne arbeiten die Mitgliedsverbände der Fédération Internationale an einer noch besseren und tieferen Zusammenarbeit, um im Jahr 2026 die ersten 100 Jahre des Bestehens der internationalen Organisation zu feiern.
Dirk Sielmann
Präsident des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde