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Rückblick Expertenforum 2010: Vom Entstehen neuer Hexenkräuter
Foto: Verlag W. Wächter Morgendunst lag über dem Münsterland und gab um 7.30 Uhr nur zögerlich preis, wofür rund 160 Gartenfreunde in der kommenden Stunde anreisten: die bunte Pracht der Versuchsfelder des Kaldenhofs, dem Schaugarten der Bruno Nebelung Kiepenkerl-Pflanzenzüchtung (im Folgenden Kiepenkerl genannt) in Münster. Doch schon bald tauchte die Sonne diesen 14. August in schönes Licht und wohlige Wärme.
Zum vierten Mal hatte die Firma Kiepenkerl gemeinsam mit dem Verlag W. Wächter zum Gartenfreund-Expertenforum geladen, um mit Vorträgen rund um die Pflanzenzucht, -produktion und -nutzung den Wissensstand von Fachberatern, Vereinsvorständen und interessierten Gartenfreunden zu erweitern. Gleich der erste Vortrag entführte die Zuhörer ins Reich der Hexenkräuter, die eines der Hauptthemen waren.
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Die Mystik, die viele Kräuter umschwebt, spielte auch im Gewinnspiel eine Rolle – ging es hier doch um das ewige Leben. Die Frage, wie Jiaogulan denn mit deutscher Bezeichnung heißt, wurde wohl von fast allen richtig beantwortet, schließlich standen Exemplare der Pflanze im Schaugarten und konnten dort sogar gekostet werden.
Die richtige Antwort „Kraut des Lebens“ bescherte den Gewinnern und Gewinnerinnen unterschiedlich umfangreiche Saatgut- und Pflanzenpaket aus dem Hause Kiepenkerl.
Qualitätskriterien von Kräutern
Bernd Wenninghoff weihte die Gartenfreunde in die Qualitätsunterschiede von Küchenkräutern aus dem Supermarkt und Gartenkräutern aus dem Gartencenter ein. „Küchenkräuter werden schnell und einfach per Saatgut im Endtopf produziert. Sie keimen schnell, wachsen schnell und stehen dem Handel schnell zur Verfügung.“
Küchenkräuter schmecken auch gut, diese Erfahrung dürften viele Gartenfreunde schon gemacht haben. „Aber einmal abgeschnitten, passiert nichts mehr“, ergänzte der Kiepenkerl-Mitarbeiter. „Die aus Saatgut für die schnelle Vermarktung produzierten Pflanzen sind in der Regel zu schwach, um neu auszutreiben.“
Wer Pflanzen möchte, von denen er mehrmals oder gar dauerhaft ernten kann, sollte auf jeden Fall über Stecklinge produzierte Kräutertöpfe kaufen. „Die haben stabile Wurzeln und die Kraft, immer wieder neu durchzutreiben.“
Wie entsteht eine neue Sorte?
Mit großer Aufmerksamkeit lauschten die Gartenfreunde, als Tobias Evels sie in die Geheimnisse um das Entstehen einer neuen Sorte einweihte. Die Firma Kiepenkerl gehört zu den wenigen „echten Züchtern“.
Züchtung und die Etablierung einer neuen Sorte am Markt leisten sich heute nur noch einige wenige große Unternehmen, immerhin umfasst der Prozess von der Kreuzung bis zur Marktreife rund fünf Jahre. Die übrigen Firmen, die mit eigenen Labeln am Markt agieren, lassen züchten und erwerben die Rechte an diesen Sorten.
Foto: Verlag W. Wächter Die Arbeit ist aufwändig, um z.B. aus einem Rosmarin mit gutem Aroma und einem mit ausreichender Winterhärte durch Kreuzung (generative Vermehrung) einen Nachkommen zu selektieren, der sowohl als auch kann: gut schmecken und unsere Winter aushalten. „Wir nutzen derzeit ausschließlich diesen konventionellen Weg der Züchtung, keine Gentechnik. Wir kreuzen zwei vielversprechende Sorten, lassen die Samen ausreifen, säen die aus und gucken, was dabei herauskommt.“
Sobald eine vielversprechende Sorte „herausgeguckt“ wurde, erfolgen die weiteren Schritte in vegetativer Vermehrung. „Wir müssen ja sehen, ob diese neue Pflanze hält, was sie verspricht, das heißt, ob jede Pflanze, die wir aus genau diesem Genmaterial produzieren, die gleichen gewünschten Eigenschaften aufweist. Und wir müssen auch kontrollieren, ob sie darüber hinaus keine unerwünschten Eigenschaften ausprägt.“
Von diesen „Zukunftspflanzen“ (denen man also eine Zukunft prognostiziert) müssen Testbestände aufgebaut werden. „Wenn sie sich gut über Stecklinge vermehren lassen, dabei kaum krank werden und nicht mutieren, gehen wir diesen Weg. Manche Arten aber sind so nur sehr schwer zu vermehren. Da versuchen wir es mit der Gewebekultur im Labor, bei der unter strengsten Hygienebedingungen Zellhaufen dieser Pflanze vermehrt werden.“
Aus dieser ersten Vermehrung wird ein Elite-Mutterpflanzenbestand in Deutschland aufgebaut, die Basis einer neuen Sorte. Von diesen Pflanzen werden dann Stecklinge geschnitten, die auf Reise gehen, im klimatisierten Flugzeug in Länder mit einem Klima, in dem die Pflanzen ohne zusätzliche Heizwärme und Belichtung kostengünstig heranwachsen.
Während in Kenia die Mutterpflanzen von Beet- und Balkonpflanzen und Stauden produziert werden, bauen die türkischen Mitarbeiter in Antalya Bestände von Beet- und Balkonpflanzen und Kräutern auf. Erst diese Bestände liefern dann – nach erfolgreichen Sorten- und Gesundheitstests – die nur wenige Zentimeter großen Stecklinge, mit denen dann – wiederum in Deutschland – die Sorten produziert werden.
Den ersten Schritt dieser Produktion übernehmen die Fleuronova-Jungpflanzenbetriebe in Senden, Coesfeld und Billerbeck, die die Stecklinge bewurzeln. Erst diese Jungpflanzen in kleinen Ballen werden bundesweit an die Vertragsgärtnereien verkauft, die sie unter dem Label „Kiepenkerl Profi-Line“ fertig produzieren und an die Gartencenter verkaufen.
Gitta Stahl