- Kleingartenwesen
Generationswechsel auf den Parzellen
Foto: stahlpress Medienbüro
Lange galten Kleingärten als Inbegriff für Spießigkeit. Auf den Parzellen seien Feinripp tragende Rentner den ganzen Tag damit beschäftigt, Gartenzwerge zu polieren und mit Pflanzenschutzmitteln um sich zu sprühen – so das Vorurteil. Dass dies nicht stimmt, zeigt sich heute auch daran, dass immer mehr junge Familien in die Kleingärten drängen. Für sie ist die eigene Parzelle ein Ruhepol in einer hektischen Zeit – ein grünes Refugium im Grau unserer Städte.
Besonders in den Ballungsräumen ist die Nachfrage groß – bis zu fünf Jahre kann es in Berlin dauern, bis man eine Parzelle pachten kann. „Wir haben eine enorme Nachfrage, besonders durch Familien mit kleinen Kindern“, so Gert Schoppa vom Bezirksverband Berlin-Marzahn. „Die meisten Anlagen in Marzahn wurden vor 30, 40 Jahren gegründet – auch von jungen Leuten, die gemeinsam alt geworden sind. Viele der mittlerweile 80-Jährigen geben ihre Parzellen auf, die von den jungen Familien übernommen werden. So haben wir wieder mehr Kinder in den Anlagen.“
Aller Anfang ist schwer
Auch der Blogger Björn Hanssen (42) vom KGV „Dörnkamp“ in Hamburg gehört zur Generation
der jungen, „hippen“ Gartenfreunde. Er hat vor drei Jahren mit seiner Frau Anja einen Garten gepachtet und ist seitdem begeisterter Kleingärtner. „Nachdem unsere Tochter Käthe zur Welt gekommen ist, sind wir mit dem Kinderwagen durch viele Anlagen spaziert. Da sind wir auf die Idee gekommen, einen Garten zu pachten – damit Käthe nicht irgendwann denkt, dass Tomaten
im Laden wachsen.“
Foto: Hanssen Für die Neupächter ist der Einstieg nicht immer einfach. Vieles muss erledigt, viele Fragen beantwortet werden. Wichtige Ansprechpartner sind da die Vorsitzenden. „Am Anfang hat uns der Vorsitzende alles erklärt, ist z.B. die Gartenordnung mit uns durch- gegangen, hat uns die Drittel-Regelung erläutert oder uns unseren Nachbarn vorgestellt“, so Hanssen.
Der Bezirksverband Marzahn bietet einmal im Jahr ein Treffen für Neupächter an. „Das dient dazu, sich auszutauschen und rechtliche Fragen zu klären. Der Schwerpunkt liegt aber im Vermitteln von gärtnerischen Inhalten. Am Anfang steht immer ein Vortrag zum richtigen Umgang mit dem Boden“, erläutert Schoppa.
In Marzahn legt man auch Wert darauf, dass die Fachberater die Neupächter gut beraten, damit Anbaufehler nicht dazu führen, dass die Neuen aus Enttäuschung wieder aufgeben. Das ist wichtig, da gerade am Anfang viele Neulinge falsche Vorstellungen haben. „Das ist alles viel Arbeit, viele denken, dass man da jeden Tag vor der schicken Laube grillt und dahinter der Kohlrabi von selbst wächst“, so Hanssen. „Das man das alles pflegen muss, ist den meisten nicht klar.“
Wilde Wiese statt Schnur
Oft sind da die Nachbarn die ersten Ansprechpartner. „Unsere Nachbarn waren sehr nett, haben uns viel geholfen. Ich habe aber auch Bekannte, die sich mit ihren Nachbarn nicht so gut verstehen“, schildert Hanssen. „Die wollen halt, dass man seinen Garten in Ordnung hält. Was das bedeutet, darüber gehen die Meinungen auseinander. Mit der wilden Wiese im Naturgarten kann halt nicht jeder etwas anfangen.“
Auch in Berlin gibt es manchmal Konflikte um die Bewirtschaftung. „Der Trend geht weg vom rechteckigen Beet, man gärtnert nicht mehr mit der Schnur. Es werden z.B. vermehrt Kräuter angebaut, die einige für Unkräuter halten. Die Neupächter betreiben aber bewussten öko-logischen Anbau“, so Schoppa. Viele der jungen Kleingärtner sind mit ihrer „verwilderten“ Parzelle oft auch näher an der kleingärtnerischen Nutzung, da sie wieder mehr Obst und Gemüse anbauen.
„Man sollte in beiden Richtungen tolerant sein“, rät Schoppa. Auch, wenn sich einige Garten-freunde von Kinderlärm gestört fühlen. „Für mich ist es schön zu sehen, dass man nicht nur gemeinsam alt wird, sondern auch viele junge Leute das Hobby betreiben, das man selbst seit vielen Jahren ausübt!“
sök
Den Blog von Björn Hanssen finden Sie auf: https://gartenbaukunst.wordpress.com/