- Kleingartenwesen
„Kleine Gärten, große Wirkung“: Was nützt das Grün in der Stadt?
Foto: Eberhard/Adobe Stock
Haben Sie sich heute schon darüber gefreut, dass Sie saubere Luft atmen oder dass das Grün in Ihrem Stadtteil Ihrer Gesundheit guttut? Wohl kaum, denn zu selten machen wir uns bewusst, welchen alltäglichen unsichtbaren Nutzen die Natur für uns hat.
Der Schatten des großen Baumes vor dem Fenster, die klare Luft an einem Sommermorgen oder die Entspannung bei einem Spaziergang durch den Park sind für uns eben selbstverständlich. Was wir von dem Grün vor der Haustür haben, merken wir erst, wenn es nicht mehr da ist.
Standortvorteil Stadtgrün
Aber was haben wir denn von dem Grün in unseren Städten, außer ein bisschen Schatten und Platz zum Spazierengehen? Um diese Frage zu beantworten, erfassen Wissenschaftler die Leistungen der Natur unter dem sperrigen Begriff der „Ökosystemleistungen“. Zusammengetragen haben sie eine erstaunliche Vielzahl von Punkten: Natur in der Stadt hilft, Wetterextreme wie Hitzewellen oder Starkregenereignisse abzumildern, sie hält die Funktionsfähigkeit des Bodens aufrecht und reguliert den Grundwasserhaushalt. Sie reduziert Staub und Lärm und bietet Pflanzen und Tieren einen Lebensraum.
Stadtgrün ist auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Es beeinflusst etwa die Immobilienpreise und die ökonomische Bedeutung eines Gebietes – laut einer Studie der TU Dortmund bis zu einem Umkreis von 1500 m. „Grün“ ist ebenso ein wichtiger Standortfaktor – so haben beliebte Städte mit einer hohen Lebensqualität fast immer einen hohen Grünanteil.
Gratis-Leistungen der Natur
Kaum bekannt sind die kulturellen oder gesellschaftlichen Gratis-Leistungen der „Stadtnatur“ für den Menschen, z.B. der Erholungs- und Freizeitwert oder die gesundheitsfördernde Wirkung. Studien haben auch gezeigt, dass Grün in der Stadt den sozialen Zusammenhalt und die Bindung an den eigenen Wohnort fördert. Es kann sogar dazu führen, dass die Kriminalitätsrate oder die Zahl psychischer Erkrankungen sinkt. Es erhöht die Denkfähigkeit der Menschen, baut Stress ab und steigert die Lernfähigkeit. Nicht zuletzt ist die Stadtnatur ein wichtiger Ort für Naturerfahrungen.
„Mit diesen Leistungen trägt Stadtnatur maßgeblich zur Erhöhung unserer Lebensqualität bei“, so Dr. Robert Bartz von der TU Berlin, Co-Autor und Koordinator des Berichts „Ökosystemleistungen in der Stadt“ des Projekts „Naturkapital Deutschland – TEEB-DE“. Auch Kleingartenanlagen erbringen Ökosystemleistungen, so Bartz. Wie stark, das ist abhängig von der Gestaltung einer Anlage – ob sie etwa für die Öffentlichkeit zugänglich ist oder viele Gehölze hat. Kleingärten sind besonders bei den kulturellen Leistungen stark. Sie schaffen einen Raum für Begegnungen und fördern die Integration.
Gebaut wird trotzdem
Wenn es aber darum geht, ob Parzellen Neubauten weichen sollen, spielen die Leistungen des Stadtgrüns kaum eine Rolle. Der oft unsichtbare Nutzen einer Kleingartenanlage lässt sich eben nur schwer in Zahlen ausdrücken. „Wenn darüber entschieden werden soll, ob eine Fläche bebaut wird, werden oft nur die Baukosten auf der negativen Seite gegen den Gewinn an Wohnraum aufgerechnet. Was nur selten beachtet wird, ist der Verlust an Lebensqualität, weil die Anwohner z.B. weniger Erholungsfläche haben, oder die volkswirtschaftlichen Kosten, die entstehen, weil die Menschen weniger gesund sind“, so Bartz.
„Prinzipiell ist es richtig, einer weiteren Zersiedlung des Stadtumlandes entgegenzuwirken und zusätzlichen Wohnraum daher auch im Innenstadtbereich zu schaffen. Häufig geht eine solche Nachverdichtung jedoch zulasten von Stadtnatur und führt somit zum Wegfall wichtiger Ökosystemleistungen.“
Die Folgen wären etwa eine Verschlechterung der Gesundheit von großen Teilen der Bevölkerung oder zum Beispiel höhere Schäden durch die Auswirkungen von Wetterextremen. In den Innenstädten neu gewonnener Wohnraum muss so teuer bezahlt werden. Es wird also Zeit, den unsichtbaren Wert des Stadtgrüns endlich zu berücksichtigen!
Sören Keller
Verlag W. Wächter
Weitere Informationen:
Studie „Ökosystemleistungen in der Stadt“: http://bit.ly/ufz-teeb
„Weißbuch Stadtgrün“: http://bit.ly/bmi-weissbuch