- Kleingartenwesen
Kleingärten als Teil der Grünstruktur
Oasen im Großstadtdschungel
Foto: Dortmunder Hafen AG/Blossey
Dicht an dicht drängen sich die Häuser in der Dortmunder Nordstadt. Gebaut wurden sie in einer Zeit, als das Ruhrgebiet noch von Kohle und Stahl geprägt war. Der Stadtbezirk gilt als das am dichtesten besiedelte Altbaugebiet im Ruhrgebiet. In den engen mehrgeschossigen Wohngebäuden leben Menschen mit unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichen Biografien und Lebensentwürfen. Noch immer wird die Nordstadt vom Dortmunder Hafen und seinen Industrie- und Gewerbegebieten geprägt.
Die Nordstadt wirkt eng und laut auf mich, und Grün finde ich hier nur wenig – es sei denn, ich mache mich auf den Weg zum Kleingärtnerverein „Hafenwiese“. Dann öffnet sich plötzlich die Bebauung. Vor dem Hintergrund der Hafensilhouette sieht man kleine Lauben, hört Kinderlärm und befindet sich in einer anderen Welt. Von einer stark befahrenen Straße gehe ich auf einen Weg, der von kleinen Gärten gesäumt ist. Ich sehe Pflanzen, Bäume, Gemüse, höre Vogelgezwitscher.
Italienischer Wein
Ich bleibe stehen, nanu, hier wächst Wein? Rote und grüne Trauben in erstaunlicher Größe wecken meine Neugier. Hinter einem Rankgerüst mit Brombeeren taucht ein älterer Mann auf, der, als er meine Verwunderung merkt, mich anspricht: „Ja, da staunst du. Den Wein habe ich aus meiner Heimat Sizilien mitgebracht. Er wächst hier schon seit 20 Jahren.“ Er erzählt mir, dass er bei Hoesch im Stahlwerk gearbeitet hat. Kollegen hatten ihn damals auf die Kleingärten aufmerksam gemacht. Einer sagte: „Mein Nachbargarten wird frei, hast du Interesse?“ So fand er einen Garten, der zu seiner Heimat wurde. Die Kinder wurden in dem Garten groß, und inzwischen besuchen auch die Enkelkinder dort ihren Opa. Nach wenigen Schritten stehe ich vor dem Spielplatz der Anlage. Kinder unterschiedlicher Herkunft spielen dort gemeinsam. Mütter oder Väter sitzen auf den Bänken und unterhalten sich. Daneben genießen auf der Terrasse des Vereinsheims Fahrradfahrer und Spaziergänger die Sonne.
Der Weg ist das Ziel
Eine Gruppe von Bewohnern eines nahe gelegenen Seniorenheims nähert sich auf dem Hauptweg, biegt dann aber auf einen Seitenweg ab. Die Senioren nutzen die Anlage, um auf dem verkehrssicheren Rundweg ihren Spaziergang zu machen. Auf dem Hauptweg der Anlage gehen viele Menschen, auch um aus der Innenstadt zum angrenzenden Fredenbaumpark zu gelangen. Ihr Ziel sind die Freizeiteinrichtungen, die sich dort am nahe gelegenen Dortmund-Ems-Kanal befinden. Jugendliche in Sportkleidung sind etwa auf dem Weg zu den Sportplätzen am Rande des Parks.
Foto: KGV Hafenwiese/R. Heierhoff
Die Kleingartenanlage „Hafenwiese“ ist Teil einer intakten, gut gepflegten, fußläufigen Verbindung zwischen der dicht bebauten Innenstadt, den Freizeiteinrichtungen und den Freiräumen im Dortmunder Norden – eine grüne Oase im dichten Häusermeer. Es gab aber auch schwierige Zeiten für die Anlage. Die im Hafenbereich ansässigen Firmen hatten in den 1980er Jahren ein Auge auf die Flächen geworfen. Aufgrund von Betriebserweiterungen mussten einige Gärten aufgegeben werden. Aber dem Stadtplanungsamt und dem damaligen Grünflächenamt gelang es, einen Streifen mit Kleingärten zwischen den Industriebetrieben und dem Hauptweg der Anlage zu erhalten.
Kleingärten für alle
So können die Bewohner der Nordstadt auch heute noch den Weg durch die Anlage nutzen und das Grün der „Hafenwiese“ genießen. Durch ihre Lage ist die Kleingartenanlage ein kaum zu trennender Teil des öffentlichen Grüns – ein Ort, der die Lebensqualität der Nordstadt für die Bewohner deutlich verbessert.
All das ist möglich, ohne den Haushalt der Stadt Dortmund zu belasten. Kleingartenanlagen, die in das Grünsystem der Städte und Gemeinden eingebunden sind, bringen ihre Vorzüge überzeugend zur Geltung. Dies führt zu einer großen Akzeptanz bei der Bevölkerung und macht unsere Anlagen unverzichtbar.
Wilhelm Spieß
Vorsitzender des Landesverbandes
Westfalen und Lippe der Kleingärtner