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Hände weg vom Kleingartengesetz! - Der Schutz muss immer aufs Neue verteidigt werden
Foto: Wagner, BDG Grundlage für das durch Gesetz geregelte Kleingartenwesen in der Bundesrepublik Deutschland ist die Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Artikel 14 des Grundgesetzes. Die Festlegung der höchstzulässigen Pacht, der weitgehende Kündigungsschutz und die Verpflichtung zur Ersatzlandgestellung durch die Gemeinden sind durch den Gesetzgeber auch unter diesem Aspekt zugunsten des Kleingärtners normiert worden.
In einer Zeit, in der alle sozialen Errungenschaften infrage gestellt werden, in der weitgehend kapitalistische Maximen anstelle der sozialen Marktwirtschaft vorherrschen, ist auch das herkömmliche Kleingartenwesen zunehmender Bedrohung ausgesetzt. Einige Beispiele aus jüngster Vergangenheit und der alltäglichen Gegenwart machen dies deutlich:
Die FDP wollte in Berlin mit einem „Mentalitätswechsel“ sämtliche Kleingärten aus der City an die Peripherie verlagern. Der inzwischen zurückgetretene Bremer Senator Eckhoff versuchte, mit der Mogelpackung „Entbürokratisierung“ das Bundeskleingartengesetz auszuhebeln.
Private Verpächter bemühen zunehmend die Gerichte, um die fehlende kleingärtnerische Nutzung feststellen zu lassen, damit sie aus der Pachtzinsbindung kommen.
Findige Kämmerer sehen ein Potential für höhere Erlöse in den kommunalen Kleingartenflächen. Die Überbürdungen immer neuer kommunaler Abgaben unterlaufen den durch das Gesetz festgelegten Höchstpachtzins.
Alle diese Beispiele zeigen, dass der Belagerungsdruck auf den „Schutzwall Bundeskleingartengesetz“ immer stärker wird. Es besteht die Gefahr, dass die Kleingärtner ohne die starke Unterstützung aus der Bevölkerung mit einer massiven Einbindung der Politik diesem Druck auf Dauer nicht gewachsen sind.
Angriff auf das Allgemeinwohl
Es ist uns deshalb ein besonderes Anliegen, nicht nur den Kleingärtnern selbst, sondern auch der Bevölkerung deutlich zu machen, dass ein Angriff auf das Kleingartenwesen auch ein Angriff auf das Allgemeinwohl ist, von dem auch die Bevölkerung massiv betroffen ist. Gerade in den Ballungsgebieten sind es die Kleingärten, die das Leben in vielerlei Hinsicht angenehmer und lebenswerter machen.
Den unmittelbaren Nutzen des Gartens haben natürlich in erster Linie die Gartenfreunde selbst. Es gehen jedoch keineswegs zu unterschätzende segensreiche Wirkungen für die gesamte Bevölkerung von den Kleingartenanlagen unserer Städte und Gemeinden aus.
Pflanzenvielfalt schafft Zufluchtstätten
Foto: Wagner, BDG In einer erst kürzlich durchgeführten Erhebung wurde festgestellt, dass die Artenvielfalt in unseren Kleingärten ein Vielfaches der Arten in öffentlichen Parks und Anlagen beträgt. Alte Obst- und Gemüsesorten, die längst in Vergessenheit geraten wären, sind dank der beharrlichen Pflege in den Kleingärten erhalten geblieben.
Nicht nur die Pflanzenvielfalt ist ein unschätzbares Kulturgut, um dessen Erhaltung sich die Kleingärtner kümmern, sondern auch die Fauna hat in den Kleingartenanlagen unserer Städte mit ihrer facettenreichen Vielfalt ihre Zufluchtstätte. Viele farbenprächtige Schmetterlingsarten, die fast ausgestorben schienen, seltene Vogelarten, prachtvolle Käfer und Insekten sind in den Kleingartenanlagen wieder heimisch geworden.
Zum Schutz der Lebewesen verzichtet der Gartenfreund auch einmal auf giftige Spritzmittel, selbst wenn das bedeutet, dass die Erträge eventuell etwas geringer ausfallen. Dank intensiver Fachberatung auf allen Organisationsebenen steht das Gärtnern im Einklang mit der Natur im Vordergrund aller Überlegungen.
Kleingartenparks als Chance
Viele Kleingartenanlagen bieten mehr als nur einen Weg durch die Gärten für die Bevölkerung an. Es sind zahlreiche Kleingartenparks entstanden, die auf von den Kleingärtnern großzügig gestalteten Flächen gärtnerische Vielfalt darstellen und zum Verweilen und Nachdenken einladen.
Es liegt auf der Hand, dass derartige Angebote an die Bevölkerung nur dann Sinn machen, wenn sie als Oasen inmitten der Städte zur Verfügung stehen. Eine Chance können die Programme zum Stadtumbau in Ost und West bieten, wenn Freiflächen, die in den Wohngebieten entstehen, in wohnungsnahe Kleingartenparks umgewandelt werden. In diesen Fällen profitieren alle Einwohner unmittelbar vom Stadtumbau.
Beton und lieblose Rasenflächen lassen keine Kinder gedeihen. Zunehmendes Aggressionsverhalten und Beziehungslosigkeit sind die Folgen einer Kindheit ohne eine direkte Beziehung zur Natur.
Zuwendung, Geduld und Verantwortungsbewusstsein entwickeln sich im Umgang mit Pflanzen und Tieren ganz von allein. Die alters- und generationsübergreifende Gemeinschaft im Kleingarten führt zu gegenseitiger Toleranz und gegenseitigem Verständnis und kann wesentlich zu einem intakten Familienleben beitragen.
Der Kleingarten ist das ideale Medium zur Förderung der Integration ausländischer Mitbürger und von Aussiedlern. Hier wird – wie die Studie „Miteinander leben – Integration im Kleingarten“ belegt – von den Gartenfreunden Vorbildliches geleistet.
Es liegt auf der Hand, dass Kleingarten und Gesundheit zusammengehören. Dies gilt sowohl für die Förderung der körperlichen Gesundheit durch Bewegung in freier Natur und durch Anbau und Verzehr von unbelastetem, gesundem Obst und Gemüse als auch für die psychische Gesundheit durch soziale Kontakte in der Gartengemeinschaft.
In den folgenden Ausgaben vom „Gartenfreund“ werden in Beiträgen und Kurzinterviews die wesentlichen Aspekte aus der Vielfalt des Kleingartenwesens dargestellt. Wir wollen damit erreichen, dass die Fülle von sachlichen Argumenten zwangsläufig in die Forderung mündet:
„Hände weg vom Bundeskleingartengesetz!“
Rolf Neuser