- Kleingartenwesen
Mehr „Umweltgerechtigkeit“ durch Kleingärten
Fotos: Eberhard/Adobe Stock
Die Mieten steigen, die Immobilienpreise explodieren – bezahlbarer Wohnraum ist knapp. Wer ein geringes Einkommen hat, der findet in größeren Städten oft nur dort eine Wohnung, wo es wenig Grün gibt, dort, wo es statt Bäumen und Blumen nur Staub, Lärm und Dreck gibt und Bäume höchstens am Straßenrand wachsen.
Wissenschaftliche Studien belegen, dass Familien mit niedrigem Einkommen u.a. öfter an extrem befahrenen Straßen wohnen und häufiger unter Verkehrslärm, Stickoxiden oder Feinstaub leiden. Ebenso haben sie seltener einen wohnungsnahen Zugang zu Grünanlagen.
Kinder brauchen Grün!
Das hat Folgen, vor allem für die Gesundheit der Menschen. Denn „Grün“ wirkt positiv auf Körper und Geist, hilft Stress abzubauen und sich zu entspannen. Ein hoher Grünanteil in einem Wohngebiet vermindert außerdem die Belastung durch Lärm, Staub und Abgase. Der Aufenthalt im Grünen animiert aber z.B. auch zum Knüpfen sozialer Kontakte. Einfach ausgedrückt: je mehr Grün, desto gesünder der Mensch!
Wohnungsnahe Grünflächen sind besonders für Kinder wichtig, nur hier können sie Natur erleben und erfahren. Denn Kinder verlassen nicht das unmittelbare Wohnumfeld, um „draußen“ zu spielen. Sie müssen sich mit dem zufrieden geben, was sie vor der Haustür vorfinden. Fehlt es an Grün, hat das Folgen für den Lernerfolg und die kognitive Entwicklung!
Dass Menschen mit einem geringen Einkommen oft höheren Umweltbelastungen ausgesetzt sind und einen schlechteren Zugang zu öffentlichem Grün haben, wird seit einiger Zeit unter dem Begriff „Umweltgerechtigkeit“ diskutiert. Immer mehr Studien belegen, wie wichtig das Grün
vor der Haustür ist, und immer mehr Politiker treten für mehr „Umweltgerechtigkeit“ ein. Aber trotzdem weichen immer mehr Grünflächen Bauprojekten – werden auch Kleingartenanlagen planiert.
Räume zum Durchatmen
Dabei steht nichts für mehr Umweltgerechtigkeit als die Parzelle vor der eigenen Haustür! Durch die niedrigen Pachtpreise können einkommensschwächere Schichten selbst im Grünen gärtnern und sich auf der Parzelle erholen. Die jährlichen Kosten eines Kleingartens sind auch für den schmalen Geldbeutel erschwinglich.
Kleingärten führen aber auch dadurch zu mehr Umweltgerechtigkeit, dass die Anwohner hier Natur im eigenen Stadtteil erleben können. Nach Feierabend können sie beim Spaziergang durch die Anlage die Ruhe genießen, frische Luft atmen und die Seele baumeln lassen. Im betonierten Wohngebiet sind Kleingartenanlagen so auch für weniger begüterte Menschen Orte der Ruhe
und Erholung.
Davon profitieren vor allem Senioren, die nur noch wenig mobil sind, und Kinder. Für Kinder ist eine Entdeckungstour durch die Anlagen auch aus pädagogischen Gründen besonders wertvoll.
Sie können heimische Pflanzen und Tiere kennenlernen und sehen – anders als z.B. in Parks –,
wie Obst und Gemüse angebaut werden.
Foto: Monkey Business/Adobe Stock
Kleingärten für alle!
Also wieder zurück zu den Wurzeln? Kleingärten nur für arme Leute? Nein, auch das ist keine Umweltgerechtigkeit. Kleingärten für alle muss das Ziel sein!
Stadtplaner müssen deswegen umdenken. Sie sollten sich der gesundheitsfördernden Wirkung von Grünflächen mit großer Artenvielfalt bewusst sein: weg von einheitlichen grünen Wiesen mit einigen Bäumen dazwischen, hin zur Artenvielfalt auch im öffentlichen Grün. Streuobst- und Blumenwiesen können für alle Bewohner in der Umgebung eine Bereicherung darstellen. Es sollten z.B. urbane Bereiche eingerichtet werden, zu denen alle Bewohner Zugang haben. Dort können Obst und Gemüse neben heimischen Stauden und Wildkräutern gepflanzt werden. Das können Kleingärten sein, aber auch Gemeinschaftsgärten sind geeignet.
Grüne Vielfalt muss wohnungsnah zu finden sein – gerade dort, wo die Wohnungsdichte besonders hoch ist. Bewohner ohne eigenen Garten haben damit Zugang zu Grün, Erholung und Gesundheit. Das ist Umweltgerechtigkeit!
Sören Keller, Verlag W. Wächter
August Judel, Vorsitzender des Landesverbandes der Gartenfreunde Bremen