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Mustafa: Syrer, Flüchtling, Gartenfreund
Lüneburger Kleingärtner helfen
Roemer
Für Adnan Mustafa ist seine Gartenparzelle im Lüneburger Kleingärtnerverein „Am Pferdeteich“ zum Lebensmittelpunkt geworden. Seit drei Monaten verbringt er hier jeden Tag. „Ich möchte etwas tun, kann nicht nur herumsitzen!“ Ermöglicht hat das der Verein. Er stellt die Parzelle zur Verfügung und übernimmt die Kosten der Pacht. „Eine tolle Idee, auch für andere Vereine“, freut sich Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge bei seinem Besuch im Mai.
Der lange Weg in den Garten
Angefangen hat alles im Dezember 2013 mit einer Einladung zum Kaffee. Kurz zuvor waren die ersten Flüchtlinge aus Syrien nach Lüneburg gekommen, sie wurden in einer ehemaligen Kaserne untergebracht – gleich gegenüber dem Verein. Angela und Andreas Calovius, aktive Vereins- und Vorstandsmitglieder, hatten die Idee, die Flüchtlinge einzuladen. „Wir wollten mit unseren neuen Nachbarn ins Gespräch kommen, erzählen, was wir in unseren Gärten machen“, so Andreas Calovius. Interessant für ihn war, dass zum ersten Treffen nur die Männer kamen, erst als sie von den Aktivitäten im Verein erfuhren, wurden die Frauen nachgeholt.
Unter den Gästen waren auch der 51-jährige Adnan Mustafa mit seiner Frau Muna und den Kindern Heba (25 Jahre), Hanan (11), Maram (9), Sali (7) und Selin (3). Sie waren im Februar aus Aleppo, der zweitgrößten Stadt Syriens, geflüchtet. Das Haus und die eigene Werkstatt mussten sie verlassen. Das Auto blieb an der türkischen Grenze stehen. Mit Fluchthelfern kamen sie über Bulgarien nach Deutschland, ins niedersächsische Grenzdurchgangslager Friedland. 15.000 Euro musste Adnan dafür bezahlen. Adnan war schon einmal als Flüchtling in Lüneburg, vor 25 Jahren. Deswegen musste er wieder hierher. So will es das Gesetz.
Dem Alltag Sinn geben
Als der Verein Adnan Mustafa einen Kleingarten anbot, griff er sofort zu. Mittlerweile verlässt er jeden Morgen die beiden Räume, in denen die Familie in der Unterkunft wohnt, um Beete anzulegen, Gemüse zu pflanzen und die kleine Laube zu renovieren. Im Freiland wachsen Erdbeeren, Salate und Bohnen. Im Gewächshaus, das ihm der Bezirksverband überlassen hat, gedeihen Tomaten und Gurken. „Es ist wichtig, dass ich eine Aufgabe habe“, sagt der diplomierte Mechaniker. Noch lieber wäre ihm natürlich eine geregelte Arbeit, damit er seine Familie versorgen kann.
So ist er auf Unterstützung angewiesen, die er auch vom Verein bekommt. Für den Vorsitzenden Jürgen Schmidt ist die Hilfe selbstverständlich. „Trotz Warteliste müssen wir auch dafür Gärten freihalten“, betont er. „Wir haben geholfen, das Laubendach zu erneuern, haben Geräte organisiert und die laufenden Kosten wie Pacht und Versicherung übernommen. Wasser und Strom müssen selber gezahlt werden.“
Gut war auch, dass das Vereinsmitglied Salma Abou-Alpha viel zur Verständigung zwischen den syrischen Flüchtlingen und den Gartenfreunden beitragen konnte. Vor fast dreißig Jahren musste sie mit ihrem Mann aus dem Libanon fliehen. Vor einigen Jahren ist sie über eine Initiative des Bezirksverbandes und der Lüneburger Tafel selbst zu einem Kleingarten gekommen. Jetzt hilft sie als Übersetzerin. Bei Adnan Mustafa ist das nicht erforderlich. Er spricht selbst sehr gut Deutsch, ist dadurch mit vielen Gartennachbarn bereits in Kontakt gekommen.
Jäten fürs Miteinander
Ein paar hundert Meter weiter in der Kleingartenanlage der „Gartenfreunde Moorfeld“ herrscht auf der Parzelle 105 reges Treiben. Lüneburger und Asylbewerber verschiedener Nationen ackern hier gemeinsam. Studenten aus Lüneburg haben das Projekt „Kulturgarten“ ins Leben gerufen. Es ist Teil der Willkommensinitiative Lüneburg.
Roemer
Zur Willkommensinitiative gehören Kooperationen, Begegnungsstätten, Beratungsangebote und Hilfsprogramme. Der Kulturgarten ist eine Plattform für den Austausch zwischen den Lüneburgern und den Asylbewerbern. „Jäten und Ernten sollen zu einem funktionierenden Miteinander beitragen und Ängste abbauen“, so Anja Binder, Mitinitiatorin des Projekts.
Für Sascha Rhein, Vorsitzender der Gartenfreunde Moorfeld, war es selbstverständlich, einen Garten zur Verfügung zu stellen. „Für uns ist es wichtig zu helfen, aber auch, dass sich die Initiatoren um die Durchführung kümmern.“ Besonders gefreut hat er sich über die spontane Hilfe vieler Vereinsmitglieder.
Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge freut die Bereitschaft und die Aktivitäten der Lüneburger Gartenfreunde. „Wir erwarten in Lüneburg eine weiterhin ansteigende Zahl von Flüchtlingen, die wir in verschiedenen Unterkünften in der Stadt unterbringen müssen. Als Hansestadt nehmen wir das ehrenamtliche Engagement der Lüneburger Kleingärtner gerne an. Wir wollen den Kleingärtner-Bezirksverband gerne unterstützen, wenn er seine Vereine zum Mitmachen auffordert und dadurch die Initiativen im „Pferdeteich“ und im „Moorfeld“ weitere Früchte tragen“, so Mädge. Schließlich gibt es überall in der Nachbarschaft Kleingartenanlagen, Möglichkeiten zu helfen und damit einen wichtigen Beitrag zum Miteinander zu leisten.
Projekt mit Vorbildcharakter
200.000 syrische Bürgerkriegsflüchtlinge haben allein in den offiziellen Lagern in der Türkei Unterschlupf gefunden. Weitere 800.000 geflohene Syrer bangen außerhalb der Camps in der Türkei um ihre Existenz.
Deutschland hat bislang die Aufnahme von 15.500 syrischen Flüchtlingen in Sonderprogrammen zugesagt. 30.000 Syrer, unter ihnen auch Adnan Mustafa und seine Familie, sind seit Beginn des Konflikts vor drei Jahren gekommen, um meist über ein gewöhnliches Asylverfahren in Deutschland Schutz zu finden.
Die Lüneburger Initiativen zur Unterstützung der Flüchtlinge können in ganz Deutschland Nachahmer finden. Wir können so einen kleinen Beitrag dazu leisten, diesen Menschen zu helfen.
Hilfe für Flüchtlinge
Entschließt sich ein Verein, Flüchtlingen bzw. Asylbewerbern zu helfen, sollten unter anderem folgende Punkte beachtet werden:
Da der Aufenthaltsstatus sich bei Flüchtlingen und Asylbewerbern ändern kann, ist es sinnvoll, z.B. eine Kooperation mit einer Hilfsorganisation (Kirche, DRK etc.) einzugehen. Der Umfang und der Rahmen der gemeinsamen Hilfsmaßnahmen sollte dabei vorab festgelegt werden. Sinnvoll könnte außerdem sein, einen Pachtvertrag mit einer natürlichen Person des jeweiligen Kooperationspartners zu schließen. So hat der Verein dauerhaft einen Ansprechpartner, unabhängig vom Aufenthaltsstatus der Flüchtlinge und der Asylbewerber. Der Verein sollte sich ebenfalls sicher sein, dass die für das Kleingartenwesen zuständige Aufsichtsbehörde das Projekt unterstützt.
Infos des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge:
www.gartenfreunde.de/asylverfahren
Joachim Roemer
Präsident des Landesverbandes
Niedersächsischer Gartenfreunde