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Von „Freundschaftswiesen“ und Rettungsaktionen für Molche: Zusammenarbeit von Kleingärtnern mit anderen Organisationen trägt reichlich Früchte
Foto: Bolder Gut Grün!“ Mit diesem kurzen Gruß beginnen und enden seit Jahrzehnten viele Veranstaltungen der Kleingärtner im Landesverband Westfalen und Lippe. Diese Begrüßung zeigt das Selbstverständnis vieler Vereine, in Sachen „Grün“ kompetent zu sein.
Lange, bevor der Begriff „Grün“ auch seine politische Bedeutung erlangte, sahen sich die Kleingärtner als Bewahrer und Förderer des Grüns in der Natur. Häufig vergaßen sie leider dabei, sich auch hier fortzubilden und so aktuell zu bleiben.
Am Beispiel der Aktivitäten des Kleingärtnervereins „Arbeit und Freude“ in Oer-Erkenschwick möchte ich Ihnen aufzeigen, wie durch dauernde Kontakte zu anderen Organisationen der Anspruch, sich für „Grün“ und damit auch für den Umwelt- und Naturschutz einzusetzen, aufrecht erhalten werden kann.
Welcher Vogel fliegt denn da?
Im Jahre 1986 entstand bei den Mitgliedern der Wunsch, die verschiedenen Vögel in der Gartenanlage besser kennen zu lernen, um z.B. einen Spatz von einer Heckenbraunelle unterscheiden zu können. Der Vorstand wandte sich damals an die örtlichen Vertreter des „Deutschen Bunds für Vogelschutz – DBV“ (heute Naturschutzbund Deutschland – NABU).
Foto: Breder
Die Experten organisierten zusammen mit dem Vorstand frühmorgendliche Wanderungen durch die Anlage, und zwar im Frühjahr, Sommer und Herbst. Nicht nur das äußere Erscheinungsbild wurde erläutert, auch die Möglichkeit, die verschiedenen Vögel am Gesang zu erkennen, wurde geübt.
Zusätzlich bestimmten die Experten des DBV, wie viele verschiedene Vogelarten in dieser Kleingartenanlage einen Lebensraum gefunden hatten. Sie kamen auf die erstaunliche Zahl von 38 verschiedenen Vogelarten – ein Ergebnis, das die Kleingärtner stolz machte, wurde doch dadurch bewiesen, dass ihr umweltgerechtes Verhalten zum Vogelschutz beigetragen hatte.
Angespornt von diesem Erfolg legten sie noch mehr Wert auf den Vogelschutz. Verschiedene Vogelkästen wurden nach den Anleitungen der Vogelkundler gebaut. Als besonders eindrucksvoll erwies sich die Ansiedlungshilfe für Steinkäuze, eine etwa 20 cm lange Röhre, die im Vogelschutzgehölz der Anlage aufgehängt wurde.
Rettungsaktion für Molche
Die Zusammenarbeit mit den befreundeten Umweltschützern führte schließlich zu einer ganz besonderen Aktion: In der Nachbarstadt waren durch Neubauaktivitäten und das damit verbundene Beseitigen von Tümpeln zwei Molcharten bedroht. Also wurden die Molche gerettet und in das Feuchtgebiet der Kleingartenanlage umgesiedelt.
Unsere Freunde vom NABU beobachteten ihre Entwicklung in unserem Feuchtgebiet über mehrere Jahre und bewerteten die Aktion wissenschaftlich. Zum Abschluss erfolgte eine Veröffentlichung in der Fachliteratur.
Aus diesem engen Miteinander bildeten sich auch persönliche Freundschaften der Akteure, und die Zusammenarbeit mündete in der jeweiligen Mitgliedschaft bei der anderen Organisation. Außerdem konnte durch diese Aktivitäten die Zusammenarbeit mit anderen Umweltorganisationen intensiviert werden, im Folgenden ein paar Beispiele.
Seminar zusammen mit Naturschutzzentrum NRW
Das „Naturschutzzentrum NRW“, eine Landeseinrichtung, veranstaltete in der Kleingartenanlage zusammen mit dem Landesverband Westfalen und Lippe der Kleingärtner ein Seminar zum Thema „Ökologische Gärten“. Dabei tauschten Kleingärtner aus dem Verein und aus dem Landesverband mit den Experten der verschiedenen Grünverbände Erfahrungen aus.
Begleitet von regionalen und überregionalen Presseveröffentlichungen entwickelten sich die örtlichen Kleingärtner zu gefragten Umweltexperten. Die größte Partei am Orte schrieb einen Umweltpreis aus, und die Kleingärtner legten die Kriterien fest und bildeten die Jury.
Diese Aktivitäten führten dann dazu, dass sich alle örtlichen Ratsfraktionen intensiv um ein gutes Verhältnis zu den Kleingärtnern bemühten. Und bei Maßnahmen, die den Umweltschutz betrafen, bezogen sie die Meinung der Kleingärtner in ihre Entscheidungen mit ein.
Umwelttag zusammen mit der Zeitung
Foto: Breder Die größte Zeitung am Orte schickte ihren Redaktionsbus einmal pro Jahr in die Kleingartenanlage und veranstaltete mit den Kleingärtnern einen Umwelttag. Zusammen mit der Redaktion dieser Zeitung wurde eine Vortragsreihe mit folgenden Themen durchgeführt:
- Lebensräume wieder herstellen
- Natursteinmauern beleben Gärten und helfen Tieren
- Tiefes Umgraben schadet unserem Boden
- Richtiges Düngen belebt den Boden
- Artenvielfalt ist besonders wichtig
- Hügelbeete und Verwendung von Totholz
Die Vorträge fanden einmal pro Woche statt, und über jeden Vortrag erschien ein Bericht in der Tageszeitung. Zum Abschluss wurden diese Artikel in einer Broschüre zusammengefasst und an interessierte Leser verteilt.
Kurs Korbflechten zusammen mit der Volkshochschule
Im Vereinsheim des Vereins veranstalteten die Kleingärtner im Rahmen des Kursprogramms der Volkshochschule der Stadt einen Kurs zum Thema Korbflechten. Die in der Kleingartenanlage geernteten Weidenruten dienten als Grundmaterial, und die Gartenfreunde gaben den Slogan aus: „Verzichten Sie beim Einkauf auf die Plastiktüte, verwenden Sie den Weidenkorb.“
„Freundschaftswiese“ zusammen mit Stadt und Partnerstädten
Die Stadt Oer-Erkenschwick unterhält, wie viele Gemeinden in unserer Republik, auch Städtepartnerschaften. Freundeskreise haben sich gebildet, und diese Freundschaften haben mit Symbolen eine Heimat in der Kleingartenanlage gefunden: So wurde eine Wiese mit heimischen Kräutern und Gräsern geschaffen, die zeigt, welchen Wert für den Naturschutz eine solche Wiese im Vergleich zu einem Scherrasen hat.
Um diesem Projekt zu öffentlicher Aufmerksamkeit zu verhelfen, wurden zur Erinnerung an die Partnerstädte der Gemeinde auf dieser „Freundschaftswiese“ Erinnerungs-Projekte aufgestellt:
- Ein Holzschild stammt aus Halluin im Norden Frankreichs.
- North-Tyneside in Großbritannien ist mit einem weiteren Holzschild vertreten.
- Kocevje in Slowenien hat uns einen vier Tonnen schweren Stein aus den slowenischen Steinbrüchen überlassen.
- An Lübbenau im Spreewald erinnern die dort typischen Schlangenköpfe.
- Unsere Berliner Gartenfreunde sind mit einer Erinnerung an den Berliner Bären vertreten.
Foto: Bolder Bei den jeweiligen Treffen besuchen die Verantwortlichen aus den Partnerstädten auch die Kleingartenanlage, schauen sich die „Freundschaftswiese“ an und pflegen gemeinsam mit den Mitgliedern des Vereins die nationale und internationale Gemeinschaft.
Diese Vielzahl von Aktivitäten und die intensive Zusammenarbeit mit anderen gesellschaftlichen Gruppen sind immer dann möglich, wenn im Verein die aktiven Mitglieder gut zusammenarbeiten.
Nicht alles hier Vorgestellte kann in jedem Verein nachvollzogen werden. Die Beispiele sollen aber zeigen, wie wir mit anderen Organisationen zusammenarbeiten können.
Wir müssen ein Bewusstsein schaffen, sich für die Gesellschaft zu öffnen. Wir Gartenfreundinnen und Gartenfreunde spielen innerhalb unserer Kommunen eine bedeutende Rolle! Vielen von uns ist das nicht bewusst, aber es gibt nur wenige Organisationen, die ein vergleichbares Potential für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft haben.
Arbeiten wir mit den anderen Gruppen zusammen, seien wir kreativ, zeigen wir, welche aktive und gesellschaftliche Bedeutung das Kleingartenwesen hat! Machen wir das Kleingartenwesen zukunftsfähig!
Weitere Kooperationen
- Der Förderverein für eine Bundes- oder Landesgartenschau Recklinghausen e.V. nutzt die Sommerfeste auf dem Vereinsgelände, um für sein Vorhaben zu werben.
- Die Landschaftsschutzgemeinschaft gegen die Erweiterung eines nahe gelegenen Flugplatzes wurde von den Kleingärtnern zu einer Mitgliederversammlung eingeladen, um ihre Bedenken und Ziele zu erläutern. Danach unterstützen die Kleingärtner deren Forderungen.
Werner Bolder,
Vorsitzender des Landesverbandes
Westfalen und Lippe der Kleingärtner