- Kleingartenwesen
Vielfalt schafft Vielfalt
Artenvielfalt in Kleingärten
Foto: mbroms/Adobe Stock
Ihr Name ist Programm – die Rosen-Blattschneiderbiene verschließt ihre Nester mit runden Blattstücken – gerne von Rosen. Sie steht auf der Vorwarnliste der Roten Liste, in Kleingärten ist sie aber immer häufiger zu sehen. „Die Meldungen über diese Art nehmen zu, vor zehn Jahren hat man sie noch kaum gesehen. Es scheint eine Art zu sein, die den Kleingarten für sich entdeckt hat. Natürlich vorkommende Wildpflanzen gibt es meist nur am Rande der Parzellen, viele Tiere haben sich aber mit den Kulturpflanzen arrangiert“, erklärt Tommy Brumm, Vizepräsident des Landesverbandes Sachsen der Kleingärtner, der sich seit Jahren mit der Artenvielfalt in Kleingärten befasst.
Ersatzlebensraum Kleingarten
Der Lebensraum für Tiere in Städten wird immer knapper: Flächen werden versiegelt und bebaut oder Häuser so saniert, dass Fledermäuse und Co. dort keinen Unterschlupf mehr finden. Gleichzeitig steigt die Bedeutung der „Stadtnatur“ – die „Natur“ in der Stadt ist heute oft artenreicher als auf dem Land. Umso wichtiger ist es, dass immer mehr Tierarten in den Kleingärten eine Heimat finden, auch wenn viele spezialisierte Arten andere Lebensräume bevorzugen, einige Tagfalter etwa Gebirgslandschaften.
„Kleingärten können vor dem Hintergrund des Verlustes von Lebensräumen im ländlichen Raum vielen Arten einen Ersatzlebensraum bieten – vor allem wenn man sich vergegenwärtigt, dass Kleingärten in Deutschland eine Fläche von 45.000 Hektar einnehmen. Allerdings kann damit nicht erreicht werden, dass der Verlust von biologischer Vielfalt in der Agrarlandschaft aufgefangen wird – dazu müssen wir breit in der Fläche und bei der Landbewirtschaftung ansetzen“, so Prof. Dr. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN).
Blütenpflanzen als Motor
Studien zur Tierartenvielfalt in Kleingärten gibt es wenige. Wichtig sind die Untersuchungen der Uni Bristol, und die Studie „Lebensräume in Kleingärten“, die vor allem die Bedeutung für viele Käfer herausgestellt hat. Dass Kleingärten „Oasen der Vielfalt“ sind, beschreibt auch die „Studie zur Biodiversität in Wiener Kleingärten“. Der Schwerpunkt lag hier auf Zikaden und Landwanzen, da sie Indikatoren für die Artenvielfalt sind: 109 Wanzen- und 76 Zikadenarten wurden entdeckt, viele davon befinden sich auf der „Roten Liste“ gefährdeter Arten. Ein Highlight war auch die Erstbeschreibung eines bislang unbekannten Blattfleckenpilzes.
Foto: picture alliance/Mary Evans Picture Library
„Kleingärten haben den Charakter einer Streuobstwiese. Wenn man sich an die Regeln hält, gibt es dort viele Obstbäume und viele kleine Blütenpflanzen. Sie sind der Motor der Artenvielfalt dort. Die Kleingärten umfassen aufgrund ihres Strukturreichtums zudem viele ‚Mini-Biotope’, etwa Teiche. Ein riesiger Mikrokosmos ist auch der Komposthaufen, die Artenfülle dort ist gigantisch“, so Brumm.
So wird der Nashornkäfer vermehrt beobachtet, der eigentlich in Laubwäldern vorkommt. Er profitiert auch vom Trend zu Hochbeeten, da die Larven eine Entwicklungszeit von ca. sieben Jahren haben. Wie der unter Naturschutz stehende Nashornkäfer haben auch Rosenkäfer, z.B. der stark gefährdete Trauer-Rosenkäfer, oder die Ringelnatter die Parzellen erobert.
Ebenso finden viele Vögel dort einen Rückzugsraum, etwa der Hausrotschwanz. „Es gibt in Kleingärten ein großes Nahrungsangebot für viele Vögel, weil da noch relativ viele Insekten vorkommen. Im innerstädtischen Bereich ist die Zahl der Vögel aber geringer als in den Randgebieten, da sie größere Reviere benötigen“, so Brumm.
Grün statt grau
Kleingärten tragen auch als „ökologische Trittsteine“ dazu bei, dass die Grünräume in der Stadt vernetzt sind. „Stadtnatur ist sehr wichtig, vor allem für die Menschen, die in den Städten leben. Mittlerweile sind das in Deutschland ja 75 % der Bevölkerung. Wir sprechen von einer urbanen, grünen Infrastruktur, die erhalten und ausgebaut werden müsste. Diese grüne Infrastruktur ist für das Leben und das Wohlergehen der Menschen genauso wichtig wie die graue, herkömmliche, technische Infrastruktur. Kleingärten können hier eine wichtige Funktion übernehmen“, so Prof. Dr. Jessel.
Dafür sollte auf den Parzellen möglichst naturnah gegärtnert werden. Ein allzu aufgeräumter Garten mit ein paar „exotischen“ Pflanzen bietet kaum Lebensräume. „Wenn alle Kleingärtner kleine Teile des Gartens ungenutzt lassen, wo etwa ein Holzhaufen liegen kann, dann könnten wir vor allem für Wildbienen mehr Lebensräume schaffen“, rät Brumm.
Sören Keller, Verlag W. Wächter