- Pflanzenporträts
Bodendecker für Insekten
Fotos: Lubos Chlubny/Adobe Stock; mauritius images/nature picture library/Phil Savoie (r.)
Bodendecker entfalten meist erst in größeren Stückzahlen und flächig gepflanzt ihre Wirkung. Sie wachsen oft teppichartig und vermehren sich effektiv, etwa durch unterirdische oder oberirdische Ausläufer. So bedecken sie zügig nackten Boden und schließen die Lücken zwischen einander und den anderen Beetnachbarn. Auf diese Weise unterdrücken sie unerwünschte Beikräuter und schützen den Boden vor Austrocknung und Erosion. Mit Bodendeckern können Sie Ihren Garten naturnah und gleichzeitig pflegearm gestalten.
Nahrung für viele Arten
Es gibt unzählige Bodendecker im Handel, doch nicht alle haben einen ökologischen Mehrwert. Leider ist die Handelsbezeichnung „bienen-“ und „insektenfreundlich“ kein echter Hinweis darauf, dass die Pflanze wirklich die heimische Tierwelt fördert. In den meisten Fällen bezieht sich die Bezeichnung nur auf „alles fressende Tiere“, die sogenannten Generalisten, wie Honigbiene oder Erdhummel.
Wir wissen jedoch um den dramatischen Rückgang der Arten und insbesondere von spezialisierten Lebewesen. Daher sollten wir vermehrt darauf achten, Pflanzen auszuwählen, die vielen Lebewesen, besonders den Spezialisten Nahrung bieten. Ein wichtiges Auswahlkriterium sind daher die Artenzahlen von Tieren, die sich von unseren Gartenpflanzen ernähren (Quellen: www.naturadb.de, www.bladmineerders.nl).
Es geht dabei nicht nur um blütenbesuchende Arten, die bei „insektenfreundlichen Pflanzen“ im Handel derzeit im Fokus stehen. In den Artenzahlen befinden sich auch parasitäre Lebewesen, die eine Pflanze durch Fraß oder Anzapfen des Pflanzensaftes schädigen. Dazu gehören Raupen von Schmetterlingen, viele Käfer und deren Larven, Zikaden und Wanzen sowie unzählige Läusearten – doch die wenigsten von ihnen werden unser Obst und Gemüse befallen, also keine Angst. Auch sind Pilze und andere Mikroorganismen in den Artenzahlen enthalten.
Somit sind ein angefressenes Blatt, ein angebohrter Stängel, eine Galle an der Pflanze oder eine zerstörte Blüte eben auch erwünscht, denn sie zeigen uns, dass eine größere Einbindung ins Nahrungsnetz existiert. Die Wuchskraft der meisten hier vorgestellten Arten ist jedoch dem „Fraßdruck“ problemlos gewachsen, oft bleiben die Gartengäste unbemerkt. Zudem handelt es sich um Zierpflanzen, bei denen wir meiner Meinung nach eine Nutzung durch andere Lebewesen akzeptieren sollten.
Blauer Frühlingsbote
Schon ab März öffnet das Echte Lungenkraut (Pulmonaria officinalis) seine röhrenförmigen Blüten. Es gehört zur Familie der Raublattgewächse. Die Blüte wird von mindestens 16 Wildbienenarten umschwärmt – besonders von jungen Hummelköniginnen, die im Frühling einen neuen Staat gründen.
Zwei von diesen 16 kämen ohne das Lungenkraut kaum zurecht, da der Pollen die wichtigste Nahrungsgrundlage für ihren Nachwuchs darstellt. Die Lungenkraut-Mauerbiene (Osmia pilicornis) verrät uns diese Abhängigkeit im deutschen Namen. Zudem ernähren sich ca. 46 Lebewesen parasitär von Pflanzenteilen, etwa jede Menge unterschiedlicher Raupen von Kleinstschmetterlingen, doch auch die Raupe des attraktiven Nachtfalters Brauner Bär (Arctia caja).
Das Echte Lungenkraut wird etwa 30 cm hoch und bildet schöne, dichte Teppiche. Es wächst sowohl in der Sonne als auch im Schatten, wobei es eher feuchtere Bereiche im Beet bevorzugt. Es liebt nährstoffreiche Böden, gedeiht aber in fast jedem Gartenboden. Beim Aufblühen sind alle Blüten rosa/rot und wechseln später ins Bläuliche. Für die Blütenbesucher ist der Farbwechsel ein Zeichen, dass die Blüten bereits im Abblühen sind und nun weniger Nahrung bieten.
Magnet für Wildbienen
Die Frühlings-Platterbse (Lathyrus vernus) öffnet ihre rötlich violetten Schmetterlingsblüten im April. Mit 30–40 cm wird sie etwas höher als das Lungenkraut, die volle Sonne meidet sie. Ansonsten ist sie ähnlich tolerant. Mit 62 verschiedenen Wildbienenarten, die ihre Blüten besuchen, ist sie heiß begehrt, bei 20 Arten liegt sogar eine Spezialisierung vor. Zusätzlich gibt es 36 parasitäre Nutznießer, zu denen mindestens sechs verschiedene Schmetterlingsraupen gehören.
Fotos: guentermanaus/Adobe Stock; Thierry/ (r.)
Nicht ganz so wüchsig und etwas anspruchsvoller ist die Berg-Platterbse (Lathyrus linifolius). Sie liebt die volle Sonne und bevorzugt nährstoffärmere Standorte. Können Sie ihr das bieten, ist sie ebenso pflegeleicht wie die Frühlings-Platterbse. Ihr ökologischer Wert ist vergleichbar.
Foto: mauritius images/Alamy Stock Photos/piemags/nature
Blütenmeer im Halbschatten
Ein verlässlicher Bodendecker, auch für schwierige Gartenecken, ist der Blaurote Steinsame (Lithospermum purpurocaeruleum). Optimal ist ein halbschattiges Plätzchen in einem gut mit Nährstoffen versorgten und kalkreichen Boden. Doch ist er sehr genügsam und macht bis auf Staunässe viel mit. Der Blaurote Steinsame hält auch dem Wurzeldruck großer Gehölze stand und wächst noch in ihrem Schatten konkurrenzstark und ohne Probleme. Über seine Ausläufer bildet er mit der Zeit dichte Bestände.
Fotos: mauritius images/Alamy Stock Photos/Manfred Ruckszio; Lichtmalerei/Adobe Stock (r.)
Die zahlreichen blauen Blüten sind beim Aufgehen noch purpurfarben und ernähren von April bis in den Juni zwölf Wildbienenarten, von denen zwei auf die Familie der Raublattgewächse spezialisiert sind. Hinzu kommen 24 weitere parasitäre Arten, die zwar an der Pflanze fressen, doch kaum sichtbare Schäden hinterlassen. Mit 30 cm Wuchshöhe bleibt der Steinsame recht niedrig; wenn die Triebe sich beim Wachsen überlagern, kann er auch 50 cm Höhe erreichen.
Trockenheit und volle Sonne
Für den Sommerflor habe ich nun noch zwei weitere Insektenmagneten für Sie: Beide lieben die volle Sonne und vertragen Trockenheit sehr gut. Magere Böden machen ihnen auch nichts aus, ganz im Gegenteil, hier haben sie wenig Konkurrenz. Doch lassen Sie sich beim Kleinen Habichtskraut (Hieracium pilosella), nicht von dem maximal 25 cm hohen Pflänzchen mit den weichen, mäuseohrähnlichen Blättern täuschen. Es ist bezüglich der Zahlen der Topkandidat in dieser Liste und viel zäher als es aussieht. Es ist sogar trittfest und wächst deshalb auch an Wegesrändern und in Rasenflächen.
Fotos: natalya2015/; Matthijs Wetterauw/Adobe Stock (r.)
Die Hauptblütezeit liegt im Sommer, doch können von Mai bis in den Oktober immer einzelne Blüten erscheinen. 88 Wildbienenarten, von denen 17 zu den Spezialisten gehören, würden Sie gerne davon überzeugen, das Kleine Habichtskraut zu pflanzen. Zudem bedienen sich 27 Arten von Schwebfliegen und acht Schmetterlinge an den gelben Korbblüten. Dazu kommen mindestens 26 verschiedene Schmetterlingsraupen, die hier Nahrung finden, und 122 weitere parasitäre Lebewesen, die an ihm naschen.
Der zweite Insektenmagnet ist der Breitblättriger Edelgamander (Teucrium chamaedrys), der seine rosafarbenen Lippenblüten von Juli bis in den September öffnet. Da er im unteren Bereich verholzt, ist er offiziell ein Halbstrauch, wird aber maximal 30 cm hoch und bildet über kurze Ausläufer einen lockeren, rasenartigen Bestand. Mit seinem wintergrünen Laub bleibt er lange ansehnlich, Sie können ihn auch als niedrige Weg- oder Beeteinfassung nutzen.
Fotos: Schmutzler-Schaub/; Distracted_by_Bugs/Adobe Stock (r.)
Von den 37 Wildbienenarten, die hier Pollen und/oder Nektar sammeln, sind zwei spezialisiert, und weitere drei Schwebfliegenarten kommen hinzu. Es gibt Nachweise für 56 parasitäre Lebewesen, von denen mindestens sechs Raupen von Schmetterlingen sind.
Finale im Herbst
Abschließen möchte ich den Artikel wie unsere Gartensaison: im Herbst. Kennen Sie die Berg-Aster (Aster amellus)? Lilafarbene Zungenblüten, angeordnet um ein strahlend gelbes Blütenkörbchen, machen sie zu einem der schönsten heimischen Spätblüher. Erst ab August, dafür teils bis in den Oktober hinein, strahlen Dutzende dieser Blütenköpfe um die Wette.
Fotos: Michal/; Andy Jenner/ Adobe Stock (r.)
Die Berg-Aster wächst horstartig aufrecht und ist somit kein typischer Bodendecker. Mit einer Höhe von 30–50 cm eignet sie sich dennoch in vielen Pflanzungen für den Vordergrund, und mit einem Pflanzabstand von ca. 40 cm lässt auch die Berg-Aster bald keinen nackten Boden mehr zwischen den Pflanzen zu.
Sonnig sollte ihr Standort sein, sie verträgt weder Staunässe noch saure Böden. Für 71 Wildbienenarten ist die Berg-Aster eine wertvolle späte Tracht und für zwölf von ihnen unentbehrlich. Dazu kommen 15 Schwebfliegenarten und zwei Schmetterlinge, die sich auf den Blüten tummeln. 36 weitere Lebewesen haben die Pflanze zum Fressen gern. Dazu gehören acht Falterraupen, von denen zwei kaum auf andere Nahrungspflanzen ausweichen können.
Auf unterschiedlichen Standorten können Sie mit den vorgestellten Arten einen durchgehenden Blütenflor erreichen. Es gibt zahlreiche Alternativen, und wenn Sie sich an Arten halten, die in Mitteleuropa heimisch sind, können Sie sich auf eine gute Einbindung in unser Nahrungsnetz verlassen. Probieren Sie es aus und lassen Sie uns Gärten gestalten, die deutlich mehr können als „nur“ unseren eigenen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Joschka Meyer
Landesfachberater des Landesbundes
der Gartenfreunde in Hamburg