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Überlebenskünstler bei Eis und Schnee: das Kleine Schneeglöckchen
Foto: Breder
Liebliche Blume!' sang der Sonnenstrahl. ,Wie frisch und leuchtend du bist! Du bist die erste, du bist die einzige, du bist unsere Liebe' ..." Mit diesen Worten beschreibt Hans Christian Andersen das Schneeglöckchen in einem gleichnamigen Märchen. Und wer vermag ihm da zu widersprechen? Die zierlichen Geschöpfe durchbrechen das Grau des Winters und erfreuen uns als erste Frühlingsboten.
„Schniekieker" und „Snowdrop"
Den deutschen Namen des Schneeglöckchens zu erklären, erübrigt sich, in Holstein heißt es auch „Schniekieker". Unsere englischen Nachbarn gaben ihm den gleichwohl treffenden Namen „Snowdrop" (zu deutsch „Schneetropfen"), und die Franzosen lassen seine Kraft zum Ausdruck kommen: Bei ihnen heißt die kleine Pflanze „perce-neige" (zu deutsch „Schneedurchbohrer").
Der botanische Name Galanthus stammt aus dem Griechischen: „gala" bedeutet „Milch", „anthos" heißt „Blüte" (nach der milchweißen Blütenfarbe). Aus dem Lateinischen stammt der Artname „nivalis" für „Schnee-, schneeweiß". Womit wir beim Thema wären – die wackeren Geschöpfe mussten sich einiges einfallen lassen, um Eis und Schnee unbeschadet zu überstehen.
Zucker und Bescheidenheit
Wie Autofahrer den Motor vor Frost schützen, so machen es auch die Schneeglöckchen. Sie haben im Laufe der Evolution so genannte Frostschutzmittel entwickelt, d.h. sie lagern in ihre Zellen vermehrt zuckerhaltige Substanzen ein. Damit verringern sie den Gefrierpunkt des Zellplasmas, in dem der Stoff- und Energiewechsel stattfindet.
Besonders schlimm trifft es die kleinen Gewächse, wenn zusätzlich zum Frost starker Wind weht. Durch den Wind verlieren sie verstärkt Wasser. Ist der Boden gefroren, so kann die Wurzel kein Wasser nachliefern, und die Pflanzen vertrocknen. Von Vorteil ist es daher, eisigen Böen wenig Angriffsfläche zu bieten, und so bleibt das Schneeglöckchen bescheiden und streckt sich kaum 20 cm in die Höhe.
Die festen, fleischigen Blätter tun ihr Übriges, um Wasser zu speichern und die Verdunstung in Grenzen zu halten. Schutz bietet auch das Hüllblatt, das die Spitze des jungen Sprosses umschließt und sich erst öffnet, wenn die Blüte sich entfaltet.
Licht, Wärme und viel Platz
Die Pflanzen haben sich also gut mit der Eiseskälte arrangiert. Dennoch wundert man sich, warum sie nicht – wie die meisten anderen Arten – erst bei wärmerem Wetter zu sprießen beginnen.
Das Schneeglöckchen ist in feuchten Bergwäldern, Au- und Schluchtwäldern zu Hause. Dort gelangt nur dann genügend Licht für die kleinen Pflanzen auf den Boden, wenn die Bäume noch kein Laub tragen. Mit dem direkten Lichteinfall erwärmt sich zugleich der Boden.
Deshalb nutzt das Schneeglöckchen die frühe Zeit im Jahr, um ein Höchstmaß an Licht und viel Bodenwärme für seine Entwicklung und Verbreitung zu erhalten. Außerdem besiedeln zu dieser frühen Jahreszeit auch nur wenige andere Pflanzen den Wald, das heißt, die kleinen Geschöpfe haben viel Platz.
Geben und nehmen
Einen weiteren Vorteil bietet der Vorfrühling: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Blüten von Insekten bestäubt werden, ist besonders hoch. Bienen und Hummeln finden außer den Blüten der früh blühenden Pflanzen kaum weitere Nahrungsquellen und sichern mit ihrem Blütenbesuch wiederum die Bestäubung. Zur Orientierung dient den Insekten beim Schneeglöckchen das grüne Saft- und Duftmal an der Spitze des inneren Blütenblattes.
Giftig und geschützt
Das Schneeglöckchen gedeiht auf humushaltigen, nährstoffreichen, feuchten Lehm- oder Tonböden. Es lebt in Mittel- und Südeuropa und klettert bis in 2000 m hohe Gebirge hinauf.
Foto: Breder Vorsicht, es enthält giftige Alkaloide und ist zum Verzehr nicht geeignet! In der Homöopathie wird es zuweilen bei Herzleiden eingesetzt, von einer Selbstmedikation ist jedoch dringend abzuraten. Übrigens: Wild vorkommende Schneeglöckchen stehen unter Schutz und dürfen nicht gepflückt werden!
„Steckbrief"
Botanischer Name: Galanthus nivalis
Familie: Narzissengewächse (Amaryllidaceae)
Blütenfarbe: weiß
Blüte: nickend, die drei äußeren Blütenblätter 1,5 bis 2 cm lang, die drei inneren ungefähr halb so lang, mit einem halbmondförmigen grünen Saft- und Duftmal an der Spitze
Blütezeit: Februar bis April
Frucht: grüne Samenkapsel, von Ameisen verbreitet
Wuchshöhe: 5 bis 20 cm
Stängel: dünn, aufrecht
Blätter: blaugrün, lineal, fleischig, bis 10 cm lang
Zwiebel: rundlich, ca. 1 cm im Durchmesser
Vorkommen: selten, dann jedoch oftmals in größeren Gruppen, viele Standorte haben sich wahrscheinlich durch Verwildern aus Gärten und Parks ergeben
Besondere Eigenschaft: enthält giftige Alkaloide; steht unter Naturschutz
Christiane Breder