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Eine richtig scharfe Sache: Meerrettich
Foto: Roßbeck Schon von den Tischen der alten Ägypter war er nicht wegzudenken. Um 1000 n. Chr. soll dann auch in Mitteleuropa sein Erfolgsweg als Kulturpflanze begonnen haben. Meerrettich galt als Lieferant von Glückshormonen, ungeahnte Kräfte sollte er verleihen.
Wer jeweils zu Neujahr, hieß es, ein Stückchen Meerrettich zu sich nahm, bliebe vor bösen Geistern und Ohnmacht sicher. Und aus Geldbeuteln, in denen sich nur ein Schnipsel der Pflanzenwurzel befinde, so wird noch heute versprochen, verschwänden Euro und Cent niemals ganz.
Vielfältige volkstümliche Namen
Vielfältig sind die volkstümlichen Namen von Armoracia rusticana: Rachenputzer, Pfefferwurzel, Bauernsenf, Fleischkraut, Kren. Kren, hauptsächlich im Alpenraum geläufig, kommt aus dem Slawischen, von krenas, das für weinen oder greinen steht. Was niemanden verwundert, der schon einmal Meerrettich gerieben hat.
Und wie es zu dem Meerrettich, dem „horse-radish" übrigens im Englischen, kam? Einstmals zur Heilbehandlung auch von Pferden verwendet, kam es vermutlich durch sprachliche Lautverschiebungen über die Mähre zu Mähr und schließlich Meer.
Optische und geschmackliche Eigenarten des Meerrettichs werden nicht nach Sorten, sondern nach Herkünften unterschieden. So gibt es den fränkischen, den südbadischen, den elsässischen, den hamburgischen Meerrettich, solchen aus dem Spreewald, aus der österreichischen Steiermark, aus Ungarn oder aus Dänemark und, und, und.
Anspruchsvolle Sonderkultur
Wie beim Wein spielen Pflege und regionale klimatische Unterschiede eine nicht zu unterschätzende Rolle. Wer Meerrettich im großen Stil anbaut, hat es mit einer anspruchsvollen Sonderkultur zu tun. Die Staude benötigt einen tiefgründigen, nährstoffreichen, humosen, ausreichend gut mit Wasser versorgten Standort. Allenfalls akzeptiert sie mittelschwere Böden.
Doch damit nicht genug: 1500 (!) Arbeitsstunden je Hektar müssen Meerrettichbauern im Verlauf der Vegetationszeit einkalkulieren. Zum Vergleich: Kartoffelbauern kommen auf gleicher Fläche mit nur 100 Stunden aus.
Verwandt mit Senf und Kresse
Der Kreuzblütler Meerrettich ist verwandt mit Senf und Kresse und besitzt bis zu einem Meter lange, grundständige Blätter und kleine, weiße Blüten. Wegen der hierzulande fast immer tauben Samen wird er in unseren Breiten ausschließlich über Setzlinge vermehrt, die 1 bis 2 cm dick und etwa 30 cm lang sind.
Oftmals werden sie noch mit der Hand, teils aber auch mit Hilfe spezieller Maschinen gelegt. Um Windbruchschäden zu vermeiden, sollte die Triebspitze möglichst gen Osten zeigen.
Meerrettichkulturen sind an Arbeitsintensivität kaum zu überbieten. So muss, von den üblichen landwirtschaftlichen Tätigkeiten abgesehen, jede Wurzel bis zum Herbst noch ein- bis zweimal wieder aus dem Boden genommen und vorsichtig zurück gelegt werden, um überschüssige Seitentriebe zu entfernen, die das Dickenwachstum behindern. Auf die Ernte im Oktober/November folgt das Putzen und Sortieren nach Handelsklassen.
Problemlose Lagerung
Meerrettich ist frosthart und bleibt, fachmännisch in Kühlhäusern gelagert, monatelang erntefrisch. Ihn zu bevorraten, stellt auch Privathaushalte vor kein größeres Problem: Ungewaschene Meerrettichwurzeln behalten, von feuchter Erde oder Sand umhüllt, im Freien oder im Keller aufgehoben, ihre Erntefrische bis ins kommende Frühjahr. Gewaschen überstehen sie schadlos immerhin eine vierwöchige Liegezeit im Gemüsefach eines Kühlschranks ohne nennenswerten Qualitätsverlust.
Meerrettich, auch das ist wissens- und beachtenswert, kann auch in Kleingärten mit gutem Erfolg angebaut werden. Aufgrund seiner raschen Ausbreitung kann er aber auch schnell zur Plage werden.
Zu Tränen „gerührt"
Wer Meerrettichwurzeln reibt, kämpft, vergebens zumeist, mit den Tränen. Nicht umsonst schützten in früheren Zeiten gewerbsmäßig tätige Krenreiberinnen ihre Schleimhäute mit gasmaskenartigen Helmen. Hauptreizstoff ist das in der Meerrettichwurzel in hoher Konzentration enthaltende Glykosid Sinigrin. Infolge spezieller Enzyme werden aus ihm aber erst in Verbindung mit Sauerstoff extrem scharfe ätherische Senföle.
Auf ihnen beruht auch die Heilwirkung des Meerrettichs, unterstützt durch andere Inhaltsstoffe. Zu denen gehört das Harn treibende Asparagin, eine nicht essentielle Aminosäure, die sich ebenso in Spargel findet, sowie Harze, Schwefelstoffe und, was vielen unbekannt ist, eine außerordentlich hohe Dosis an Vitamin C.
Meerrettich regt den Appetit an, mit anderen Worten die Produktion von Verdauungssäften, senkt den Blutdruck, fördert den Kreislauf, schützt vor Erkältungen, hilft gegen Katarrhe der Luftwege und ist ein bewährtes Mittel zur unterstützenden Therapie bei Infekten der ableitenden Harnwege.
Meerrettich wirkt antibakteriell und wird deshalb wohl zurecht als „Penicillin aus dem Garten" bezeichnet. Aber Vorsicht: Kindern unter vier Jahren sollte Meerrettich nur sehr sparsam gegeben werden.
Brigitte Roßbeck