- Pflanzenporträts
Urgetreide anbauen
Alte Arten und Sorten neu entdeckt
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Möchten Sie etwas nicht Alltägliches in Ihrem Garten kultivieren? Wie wäre es z.B. mit einem kleinen Beet mit Urgetreide? Dazu gehören etwa Einkorn, Emmer oder Kamut. Bei ihnen handelt es sich um Getreidearten und -sorten, die bereits von unseren Vorfahren angebaut wurden. Archäologen konnten nachweisen, dass erste Gersten bereits Mitte des 9. Jahrtausends v. Chr. im Nahen Osten kultiviert wurden, Einkorn seit 7200 v. Chr. In Mitteleuropa gehörten Einkorn und Emmer zu den Kulturpflanzen der Jungsteinzeit. Gegen deren Ende wurden beide von Urformen des Dinkels und der Gerste abgelöst.
Als der Bedarf an Mehl für Brot in der Neuzeit stetig stieg und man ertragreichere, einfacher zu verarbeitende Getreide züchtete, kamen die Urgetreide immer mehr ins Hintertreffen. Dabei sind sie in der Kultur meist anspruchslos und liefern mehr Mineralstoffe und Eiweiß als z.B. Saat-Weizen. Zwar enthalten alle Arten Gluten und sind damit bei Zöliakie nicht geeignet, doch werden Urgetreide allgemein von Menschen mit empfindlicher Verdauung besser vertragen. Und nicht zuletzt bringen sie geschmacklich und optisch Vielfalt auf den Speiseplan.
Der Weg zum Brot
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Wenn Sie nun mit dem Gedanken spielen, selbst Urgetreide für Ihr Brot oder Müsli anzubauen, zu ernten und aufzuarbeiten, müssen Sie bereit sein, einen gewissen Aufwand in Kauf zu nehmen. Denn der Weg, bis Sie saubere Getreidekörner in den Händen halten, ist weit. Schneiden und Trocknen der reifen Ähren ist das Eine. Viel mühsamer ist das Dreschen und Reinigen, zumindest, wenn Sie keine entsprechenden Maschinen haben – und diese lohnen sich für Privatpersonen meist nicht.
Gerade bei Einkorn, Emmer und Dinkel fallen die Körner beim Dreschen nicht aus den sie umgebenden festen Hüllen. Sie müssen in einem weiteren Arbeitsgang in speziellen Mühlen von diesen schützenden Spelzen getrennt (entspelzt) werden. Hin und wieder bieten regionale Mühlen dies als Dienstleistung auch für Kleinmengen an. Das anschließende Mahlen zu Mehl können Sie dann wieder selbst vornehmen, entsprechende Getreidemühlen bekommen Sie im Internet ab ca. 100 Euro aufwärts.
Hoher Zierwert
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Urgetreide im Garten ist aber auch einfach nur schön: Säen Sie die Körner einfach gemeinsam mit Samen von Ackerwildkräutern wie Klatschmohn, Kornblume, Kamille und Co. aus. Und der alles überragende, mehrjährige Urroggen kann unschöne Wände verdecken oder flimmernde Schattenspiele auf Ihre Sitzecke werfen.
Sobald die Ähren der Urgetreide reif werden, können Sie auch die ganzen Halme abschneiden. Gebündelt an die Laube gehängt, trocknen sie vollends aus und bieten gleichzeitig einen tollen Blickfang. Sie lassen sich in Trockensträußen und zu dekorativen Getreidekränzen verarbeiten. Die filigranen Einkornähren zerbrechen jedoch leicht und müssen vorsichtig behandelt werden.
Kultur im Garten
Gut sortierte Shops für Biosaatgut bieten kleine Samenmengen verschiedener Urgetreide an, die meist für 1–2 m² reichen. Achten Sie darauf, dass manche bereits im September oder Oktober gesät werden müssen. Hierzu gehören Dinkel, Urroggen und Wintergerste. Die Samen keimen noch im selben Jahr, die Jungpflanzen brauchen die kalten Wintertage, um im folgenden Jahr Halme mit Ähren zu bilden. Die Samen von Sommergetreide wie Emmer, Khorasan-Weizen und Sommergerste kommen erst im März oder April in den Boden. Bei Einkorn zeigen auch Sommerformen eine gute Winterfestigkeit, sodass dieses Getreide als Sommer- oder Wintergetreide kultiviert werden kann.
Säen Sie die Körner an einem sonnigen Platz in Reihen oder breitwürfig mit einem Abstand von mindestens 10 cm in 1–5 cm Tiefe. Wenn Sie Ackerwildkräuter im Beet haben möchten, wählen Sie lieber einen größeren Abstand, denn jede Getreidepflanze entwickelt mehrere bis viele Halme. Auf Düngung können Sie verzichten, auch Gießen ist in der Regel nicht erforderlich. Damit höhere Halme nicht umfallen, sollten Sie eine Stütze bekommen. Bei einem größeren Beet können Sie dazu waagerecht ein Maschengitter anbringen.
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Einkorn, Einkorn-Weizen
(Triticum monococcum)
Die hellgrüne Pflanze bildet 0,5–1 m hohe Halme mit schmalen, seitlich zusammengedrückten, begrannten Ähren, die auf jedem Absatz nur ein Korn bilden. Das Mehl ist durch Carotinoide leicht gelblich gefärbt und besitzt ein feines, nussiges Aroma. Brotteig aus Einkorn ist weich und sollte im Kasten gebacken werden.
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Emmer
(Triticum dicoccum)
Die Halme werden bis 1,5 m hoch und tragen eine lang begrannte Ähre, die auf jedem Absatz zwei Körner bildet. Besonders apart wirkt Schwarzer Emmer dank dunkler Spelzen. Emmer schmeckt leicht nussig, das Mehl hat einen goldgelben Ton. Trotz der Tendenz zu klebrigen, laufenden Teigen eignet sich das Mehl hervorragend für herzhafte Brote und Brötchen.
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Khorasan-Weizen, Kamut
(Triticum turanicum)
Es handelt sich um eine durch spontane Kreuzung entstandene alte Weizenart mit dicken, begrannten Ähren. Sie steht dem Emmer näher als dem Saat-Weizen. Häufig ist sie unter dem Markennamen Kamut im Handel. Die Körner sind über 1 cm lang und damit viel größer als die von Saat-Weizen. Sie können wie Reis gekocht werden und schmecken dann leicht süßlich, etwas nussig-buttrig. Aus ihrem Mehl lässt sich sehr gut Brot backen.
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Urgerste
(Hordeum vulgare)
Heute bezeichnet man als „Urgerste“ robuste alte Gerstensorten, sogenannte „Landsorten“. Gerste hat überhängende, lang begrannte Ähren, bei denen die Körner in zwei, vier oder mehr Zeilen stehen. Ihr Mehl enthält nur wenig Kleber und kann nur in Mischung mit anderem Mehl zu Brot und Brötchen gebacken werden.
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Urroggen, Waldstaudenroggen
(Secale multicaule)
Im Unterschied zum Saat-Roggen wächst dieses Getreide mehrjährig und bildet kleinere Körner. Die Wurzeln dringen bis 2 m tief in den Boden ein, die Halme werden bis über 2 m hoch. Da die Backeigenschaften des Mehls nicht optimal sind, wird Urroggen oft zusammen mit Saat-Roggen zu Brot verarbeitet. Dieses hat einen besonders intensiven Geschmack und ist reich an Ballaststoffen.
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Urdinkel
(Triticum spelta)
Die Pflanzen bilden bis 1,5 m lange Halme, die sich beim Abreifen oft rötlich färben. Die Ähren sind locker, schlank und seitlich zusammengedrückt. Die leicht nussig schmeckenden Körner werden zu Dinkelreis, Gries, Grünkern oder Mehl verarbeitet. Teige aus Dinkelmehl sind weich und nur wenig formstabil. Im Gegensatz zu Urdinkel sind andere heutige Dinkelsorten Kreuzungen von Dinkel mit modernem Weizen. Teige aus ihnen lassen sich etwas einfacher verarbeiten.
Unser Buchtipp
Spohn, Margot; Spohn, Roland: „Ackerpflanzen und Feldfrüchte“. 432 Seiten. 29,95 Euro. Quelle & Meyer Verlag.
ISBN 978-3-494-01874-4.
Margot Spohn