- Tiere im Garten
Mäuse im Garten
Von 1000 Herzschlägen bis zur Starre
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Sie sind Krankheitsüberträger, Vorratsschädlinge, und viele finden sie einfach nur ekelig. Mäuse haben keinen guten Ruf. Dabei sind nicht alle Mäuse eine Gefahr für den Menschen, und selbst die, die Vorräte klauen und Gartenhäuschen verunreinigen, tun dies oft nur, weil es kein funktionierendesÖkosystem vor Ort gibt.
Eine Maus, die den Menschen seit Jahrtausenden begleitet, ist die Hausmaus (Mus musculus). Sie gehört zu den„Altweltmäusen“ und stammt mit großer Wahrscheinlichkeit aus Indien. Sie hat Mitteleuropa etwa 4000 Jahre v. Chr. erreicht. Die Kulturfolgerin legt besonders im Herbst, in Vorbereitung auf die kalte Jahreszeit, große Mengen an Vorräten an. In unmittelbarer Nähe zum Menschen betreiben die Nagetiere die Vorratshaltung nicht mehr so intensiv. Winterschlaf hält die Hausmaus nicht, kann aber bei extremem Frost oder Nahrungsmangel in einen Erstarrungszustand fallen.
Gefahr und Anerkennung
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Eine typische„Garten-Maus“ ist die Feldmaus (Microtus arvalis). Die Schäden, die sie mit durchschnittlich 25 bis 500 Tieren je Hektar anrichtet, sindüberschaubar. Die Art durchläuft aber regelmäßige Populationsschwankungen, und da kann die Dichte der Individuen, gerade durch milde Winter, schon einmal auf 1000 Tiere je Hektar ansteigen. Dann kann die Feldmaus große Schäden verursachen.
Feldmäuse pflanzen sichüber das gesamte Jahr fort, ein Weibchen kann drei bis sechs Würfe mit zwei bis zwölf Jungtieren pro Jahr zur Welt bringen. Die Jungtiere werden innerhalb von zwei Wochen wieder geschlechtsreif, schon allein hierin liegt das Potenzial zur Plage!
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Die Gelbhalsmaus (Apodemus flavicollis) erreicht keine derartigen Populationsstärken, Schäden richtet sie kaum an. Sie ist eher ein Waldbewohner, wenn Sie diese Mäuse in Ihrem Garten beobachten, sollten Sie dies als eine Anerkennung der Natur werten!
Vielfältige Bedrohungen
Mäuse stehen in der Nahrungskette nicht besonders weit oben, sie bilden für viele kleine Räuber die Nahrungsgrundlage. Zu den wichtigsten Feinden der Hausmäuse etwa gehören Marder und Wiesel. Der wohl effektivste Mausjäger ist das Mauswiesel, dieser kleine agile Räuber ist in der Lage, auch in die Nester der Mäuse vorzudringen. Sein hoher Energiebedarf treibt ihn ständig an, neue Beute zu machen.
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Eine großflächige Unterstützung durch Eulen ist in den Gärten nicht zu erwarten, dafür räumen junge Ringelnattern gerne mal ein Mäusenest mit den noch nackten Jungtieren aus. Katzen sollten wir nicht als regulierende Spezies ansehen, sie richten im„Fast-Ökosystem“ Garten mehr Schaden als Nutzen an.
Überwinterer im Haus
Wir haben mit den Gärten einen Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen geschaffen, aber unser Gartenhaus sollte doch uns vorbehalten sein. Aber gerade dieser wettergeschützte Ort ist begehrt, viele Tiere suchen in den Wintermonaten hier einen sicheren Unterschlupf.
Nicht jede Mausart dringt in Gartenhäuser ein, aber die, die es versuchen, finden jeden Schwachpunkt in der Konstruktion und können auch durch kleinsteÖffnungen eindringen. Für den Schutz darin gehen die Mäuse gerne ein Risiko ein. Auch einige ihrer Fressfeinde können ihnen hierhin folgen. Besonders das Mauswiesel kann aufgrund seiner Körperform auch dorthin, wo die Mäuse sind. Hat es einmal ein Mäusenest aufgestöbert, so räumt es gründlich auf. Sein Eindringen bleibt dabei meist unbemerkt und verursacht keine Schäden am Gartenhaus.
Wunderwerk Spitzmaus
Nicht jede Maus ist eine Maus, nur, weil sie so genannt wird. Das beste Beispiel dafür ist die Spitzmaus, ein Freund des Gärtners. Sie sieht einer Maus zwar sehrähnlich, ist aber eher mit den Igeln als mit Mäusen verwandt. Diese Spezies konnte sich vor 34 Millionen Jahrenüber die offene Landbrücke von Nordamerika bis nach Europa ausbreiten.
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In diesem Erdzeitalter war das Klima tropisch warm. In den nachfolgenden Jahren kühlte es sich jedoch rasch ab. Die kleinen, anpassungsfähigen Säuger konnten die Klimaänderung gut meistern. Sie stellten sich auf Jahreszeiten mit großen Temperaturveränderungen ein und entwickelten die Fähigkeit, die Körpertemperatur extrem zu verringern. Diese Verlangsamung des Stoffwechsels zieht einen geringen Blutdruck und einen abgesenkten Blutzuckergehalt nach sich. Der Herzschlag, die Atmung und die Blutzirkulation sinken auf ein Minimum, viele Tiere stellen sogar die Urinbildung ein.
Vor 30 Millionen Jahren veränderte dann die Vereisung eines großen Teils Europas die Flora und Fauna nachhaltig, die Spitzmäuse blieben. Sie entwickelten viele Unterarten, die sich bestens an die unterschiedlichen Lebensräume anpassten. So haben sie viele Extreme hervorgebracht, wie die Etruskerspitzmaus (Suncus etruscus), die mit einer Körperlänge von 3,5–5 cm und einem Gewicht von knapp 1,8 g zu den kleinsten Säugetieren auf unserem Planeten zählt.
Alle Spitzmäuse haben einen Stoffwechsel am Limit, so schlägt das Herz einer Spitzmaus 800- bis 1000-mal pro Minute. Dieser hohe Stoffwechsel verbraucht sehr viel Energie, sodass die Spitzmäuse ständig auf Nahrungssuche sind. Der hohe Stoffwechsel verhindert eine schnelle Auskühlung des Körpers und ermöglicht körperliche Höchstleistungen, die Tiere sind aber anfälliger für Stress. Dies kann ein akutes Kreislaufversagen und somit einen schnellen Tod nach sich ziehen.
Gewinner des Klimawandels
Die frühen Säugetiere waren Mäusen sehrähnlich. Sie meisterten erfolgreich alle großen Katastrophen der Vergangenheit, heute sind auch Mäuse die klaren Gewinner des wärmer werdenden Klimas. Die Populationen nehmen stetig zu, da die Winter den Bestand nicht mehr im erforderlichen Ausmaß regulieren. Deshalb ist auch die Fuchsjagd nicht nachzuvollziehen, da Füchse effektive Mäusejäger sind. Alle Argumente für die Fuchsjagd, etwa der Schutz vor Tollwut oder den Fuchsbandwurm, sind aus der Luft gegriffen!
Spitzmäuse haben ein ausgeprägtes Revierverhalten: Um ihr Revier zu markieren, verfügen sieüber ein moschusartiges Sekret, das so intensiv ist, dass Katzen und viele andere Räuber sie vom Speiseplan gestrichen haben. Leider ist der Spieltrieb der Katze so groß, dass ihr dennoch viele Spitzmäuse zum Opfer fallen. Einige Spitzmausarten haben aber auch Giftdrüsen entwickelt, so z.B. die Wasserspitzmaus oder die Sumpfspitzmaus. Die Spitzmäuse in unseren Gärten haben diese Giftdrüsen aber nicht.
Spitzmausmütter sind sehr fürsorglich und quartieren ihren Nachwuchsöfter um. Wenn man etwas Glück hat, so kann man einen solchen Spitzmauskonvoi, mit der Mutter an der Spitze, im Garten beobachten, und das ist dann alles andere als ekelig!
Tommy Brumm
Präsident des Landesverbandes
Sachsen der Kleingärtner