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Obst im Klimawandel
Aprikosen und Trauben auf dem Weg nach Norden
Foto: Rueß
Starker Hagel, Überschwemmungen oder extreme Temperaturschwankungen beeinflussen zwar unsere kurzfristige Wahrnehmung, doch derartige Extremereignisse sind auch schnell wieder vergessen. Anders als der Mensch vergessen Pflanzen jedoch nicht. Sie reagieren messbar auf veränderte Umweltverhältnisse, indem sie sich an die neuen Bedingungen gewöhnen und phänologisch anpassen.
Die Anpassung erfolgt dabei genauso wie die Klimaveränderung ganz langsam. Obstgehölze dienen bei phänologischen Studien als Bioindikatoren (Zeigerpflanzen) für die Klimaentwicklung oder zur Beurteilung der Vegetationsentwicklung des aktuellen Jahres.
Seit vielen Jahren erhebt der Deutsche Wetterdienst derartige Daten. Die Ergebnisse dieser Erhebungen werden im „Phänologie-Journal“ des DWD veröffentlicht und liefern Erkenntnisse über die Klimaentwicklung in Gesamteuropa oder geographisch größeren Gebieten.
Forscher ermitteln, wie die Natur reagiert
Als älteste Weinbauschule Deutschlands kann die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Weinsberg im Raum Heilbronn auf eine nahezu lückenlose Langzeit-Datenreihe bei der Apfelsorte ‘Golden Delicious’ zurückgreifen. Die Datenerhebung reicht bis 1962 zurück, die Wetterdaten sogar bis 1900.
Wie die Auswertungen zeigen, hat sich die Blüte von ‘Golden Delicious’ im Zeitraum von 45 Jahren elf Tage nach vorne verschoben im Vergleich zu den 60er Jahren. Der Erntebeginn ist im gleichen Zeitraum sogar um 23 Tage nach vorne gerückt. Das mag auf den ersten Blick unlogisch erscheinen, lässt sich aber durch die gegenüber den 60er Jahren gleichfalls höheren Sommertemperaturen erklären.
Die Temperaturansprüche der Sorte ‘Golden Delicious’ werden durch die höheren Temperaturen während der Vegetation offenbar besser befriedigt, sprich die erforderliche Temperatursumme bis zur Reife wird früher erreicht.
Wenn sich der errechnete Trend so fortsetzt, wird im Jahr 2020 der Austrieb von ‘Golden Delicious’ in der mittleren Neckarregion voraussichtlich am 23. März erfolgen, die Obstgehölze am 22. April in Vollblüte stehen und die Ernte am 11. September beginnen. Dabei kann es aber stets zu erheblichen Schwankungen um diese Mittelwerte kommen, d.h. die Ereignisse können erheblich früher, aber auch später eintreten.
Extremere Temperaturen ohne mehr Wasser
Bei der Temperaturentwicklung der letzten 60 Jahre hat es erhebliche Veränderungen gegeben. Die absoluten Minimum- und Maximumtemperaturen sind stark gestiegen (in Weinsberg um 4 °C), d.h. die Winter werden immer milder und die Sommer immer heißer.
Dagegen lassen sich bei der Niederschlagsverteilung kaum Veränderungen feststellen, zumindest nicht an der lokalen Wetterstation in Weinsberg. Das ist jedoch regional sehr unterschiedlich. Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen. In bergigen/hügeligen Regionen, wo sich die Wolken stauen, haben die Niederschläge mit Starkregen deutlich zugenommen.
Die Temperaturerhöhung hat bezüglich der Wasserversorgung große Auswirkungen auf die Pflanzenwelt. Bei um durchschnittlich 2 °C höheren Temperaturen im Frühjahr und Sommer müssen unsere Obstgehölze mit der gleichen Niederschlagsmenge wie vor 60 Jahren auskommen. Bei lediglich 640–740 mm Jahresniederschlagsmenge in der mittleren Neckarregion kann dies zu Versorgungsengpässen führen. Zusätzliche Bewässerung wird nötig.