- Kleingartenwesen
Moderne Formen des Gärtnerns
XXL-Tausendfüßler und Tigerschnegel
An der Mitmachstation von Karolin Mittag, Leiterin des „Natur- und Gartenzentrums Reichenbach der Schreberjugend Sachsen“ und Fachberaterin im „Regionalverband Göltzschtal der Kleingärtner“, standen die Besucher in den Vortragspausen Schlange, um einen Tausendfüßler zu streicheln. Keinen der heimischen Winzlinge, sondern ein handzahmes XXL-Exemplar aus Madagaskar – mehr als 40 cm Länge erreichen die dort lebenden Arten.
Foto: Verlag W. Wächter
Keine Angst vor „großen Tieren“
Der von Karolin Mittag mitgebrachte Tausendfüßler zeigte keinerlei Scheu, und auch die staunenden Besucher verloren jegliche Berührungsangst mit dem ungewöhnlichen „Streicheltier“ – das naturpädagogische Konzept ging auf! Denn die neu gewonnene Sympathie für den freundlichen „Mega-Tausendfüßler“ aus Madagaskar werden wir zukünftig auch seinen kleinen Verwandten in unseren Gärten entgegenbringen. So fördert Karolin Mittag auch bei ihrer Arbeit mit Kindern eine positive Einstellung zu den Tieren. Dazu dienen ihr auch die handtellergroßen Achatschnecken aus Afrika, die Schulkinder beim Schneckenrennen anfeuern, nicht ohne ihnen zuvor große „Startnummern“ auf das Gehäuse zu malen.
Foto: Verlag W. Wächter
Der Tigerschnegel – eine Schnecke als Schneckenjäger
Schnecken und Gartenfreunde? – das verträgt sich doch nicht. Doch Schnecke ist nicht gleich Schnecke. Zwischen den Achatschnecken präsentierte Mittag den Besuchern ihrer Station den Tigerschnegel, einen Verbündeten der Gartenfreunde unter den Nacktschnecken, denn er verspeist die ungeliebte Spanische Wegschnecke samt ihrer Gelege. Von Schneckenkorn – das auch den nützlichen Schnegel tötet – rät Mittag ab. Stattdessen empfiehlt sie den Einsatz der Gartenschere: Ein rascher Durchschnitt, und die Schnecke habe es schnell hinter sich.
Farbenfrohe Blüten und Kräuterwaffeln
Foto: Verlag W. Wächter
Am Rande der Blumenbeete des Kaldenhofs überzeugten sich die Gartenfreunde davon, dass Blüten nicht nur Augenschmaus, sondern auch Gaumenkitzel sind. Hier lief zwischen den Vorträgen das Waffeleisen von Conny Austermann, Hauswirtschaftlerin und Kräuterexpertin, heiß und produzierte Waffeln, so schnell es konnte, denn groß war die Nachfrage.
Der Clou: Neben frisch gepflückten Kräutern gab Austermann eine bunte Mischung Blütenblätter auf den Teig. Es muss nicht immer Gänseblümchen, Ringelblume und Malve sein – auch Apfelblüten eignen sich dafür sehr gut. Und wenn Sie einmal „Unkraut“ zupfen: Die Blüten von Vogelmiere und Franzosenkraut machen sich in der Waffel nützlich, so die Kräuterexpertin. Hier ihr Rezept: Für 7–9 Kräuterwaffeln brauchen Sie:
- 125 g weiche pflanzliche Margarine
- 70 g Birkenzucker (Reformhaus)
- 1 Msp. Vanille
- 1 EL Chiasamen
- 70 ml Wasser
- 2 EL (ca. 16 g) VegEgg Ei-Ersatz oder 2 Eier
- 125 g Dinkelmehl Type 1050
- 125 g Dinkelvollkornmehl
- 1 TL Weinstein-Backpulver
- 1 Pr. Salz
- 250 ml zimmerwarme Milch
- 80 g – ½ geriebener Apfel
- Kräuter und Blüten je nach Jahreszeit
Lassen Sie die Chiasamen im Wasser für ca. zehn Minuten quellen. Dann mit allen anderen Zutaten in eine Schüssel geben und zu einem cremigen Teig verrühren. Die gesammelten Kräuter und Blüten waschen, sehr klein schneiden und auf den Teig im Waffeleisen streuen. Nach dem Backen mit frischen Blütenblättern dekorieren und sofort genießen – guten Appetit!
Weitere Neuheiten: Blumen und Gemüse
Die Highlights unter den neuen Gemüse- und Blumensorten der Marken Kiepenkerl und Sperli für die Saison 2015/2016 stellte Herbert Kleine Niesse, Prokurist bei Bruno Nebelung, vor.
Blumenzwiebeln, Dahlien und Begonien
Foto: Bruno Nebelung GmbH Unter den neuen Tulpenzwiebeln für den Herbst findet sich die lilienblütige ‘Seattle’, die spät blüht und in Staudenbeeten eine gute Figur macht. Die ebenfalls spät und pfingstrosenähnlich blühende ‘Showcase’ (purpurfarben) sowie die früh und weiß blühende ‘Global Desire’ bereichern das Sortiment der gefüllten Tulpen – sie blühen länger als einfach blühende Sorten.
Für attraktive Farbspiele wurden Kombinationen zusammengestellt, deren Partner zeitgleich erblühen. Das Duo „Candy Friends“ besteht aus Zwiebeln der schwarzen ‘Queen of Nights’ und der rosafarbenen ‘Pink Diamond’. Gelborange und pink leuchten die Tulpen des Duos „Bright Harmony“. Mit außergewöhnlichen Blütenformen bestechen die rot-gelbe Papageitulpe ‘Texas Flame’ sowie die gefranste, strahlend gelbe ‘Crystal Star’. Pflanzen Sie davon zehn bis 15 Stück auf einen Fleck, dann erzielen Sie die beste Farbwirkung, so Kleine Niesse.
Unter den Dahlien-Neuheiten ist ‘Worton Blue Streak’ das Highlight. Die bläuliche Dahliensorte ist ab Februar erhältlich. Begonien-Freunden legte er die neue ‘Crispa-Marginata’-Mischung ans Herz, die ein gefranster und gefiederter Flor auszeichnet.
Fürs Gemüsebeet
Bei den Neuheiten für das Gemüsebeet hob Kleine Niesse die Kartoffel ‘Cosma’ hervor: Sie ist hochtolerant gegen Kraut- und Knollenfäule. Die Steckzwiebel ‘Rossa lunga di Firenza’ schmeckt mild und würzig; sowohl ihre violettroten und birnenförmigen Zwiebeln als auch ihr Laub eignen sich für die Zubereitung von Salaten und Gemüsepfannen sowie für den Grill.
Highlights unter den Tomaten-Neuheiten für das Jahr 2016: Stabtomate ‘Bocati’ F1 (sehr hohe Erträge), Cherry-Stabtomate ‘Nectar’ F1 und die erste kraut- und braunfäuletolerante Cherry-Buschtomate ‘Lizzano’ F1 (für große Kübel und Ampeln). Die orange Datteltomate ‘Santorange’ soll nicht brechen und eignet sich gut für die Rispenernte.
Foto: Bruno Nebelung GmbH
Gesundes Nasch-Gemüse bieten die Früchte der Mini-Snack-Paprika ‘Sperlis Fitness’ und ‘Tribelli Mini’ sowie die Spitzpaprikasorten ‘Atris’ F1 (dichtes Fruchtfleisch) und ‘Shakira’ F1 (würzig scharf). Ebenso neu: Aubergine ‘Falcon’ F1, Zucchini ‘Orelia’ F1 und Salatgurke ‘Johanna’. Die Möhre ‘Ingot’ F1 – resistent gegen die Möhrenfliege – ist im Saatband zu haben.
Keine Neuheit, aber als schöne kleine Kuriosität wird wieder die Monstranzbohne zu haben sein: Ihre weißen Bohnen tragen eine hieroglyphenartige dunkle Zeichnung, die an ein liturgisches Schaugefäß – die Monstranz – erinnert. Kräuterfreunde erwartet die aromatische Anisminze und der „Try-Basil“-Mix: ein rotblättriges, ein gezacktblättriges und ein Genovese-Basilikum in einem Topf.
Blumensaatgut
Ein Highlight unter den Neuheiten beim Blumensaatgut ist das Schmuckkörbchen ‘Xanthos’ – die erste gelbe Sorte im Cosmos-Sortiment. Einen Hauch Exotik bringt der Zierreis ‘Black Madras’ mit seinen fast schwarzen Blättern in den Garten. Die Sonnenblumen-Mischung ‘Majestic Mix’ enthält Sorten mit heller und dunkler Mitte. Sie bilden Seitenzweige, deren Knospen sich öffnen, wenn die Hauptblüte schwächelt. Ein Hingucker ist auch die Indianernessel (Monardo citriodora), deren purpurrote Blüten Bienen und Schmetterlinge anziehen. Blätter und Blüten haben ein herb zitroniges Aroma – bestens geeignet für neue Gewürzkreationen.
Foto: Bruno Nebelung GmbH Foto: Sperli
Die Blume – „Star oder Sternchen“
Die Rolle der Blume in modernen Gärten beleuchtete Volker Schevel, Produktberater für Zierpflanzen bei Volmary. Zum Einstieg führte er vor Augen, was einmal als „modern“ galt, zeigte französische Barockgärten und englische Landhausgärten, ließ seine Zuhörer schmunzeln über das, was in den 60er und 70er Jahren hierzulande als Hausgartenidyll galt, und erinnerte an das bis in die 80er Jahren reichende „Geranienzeitalter“.
Foto: Volmary GmbH
Formale Gartengestaltung: Vom Rückzug der Blumen
Fazit der Zeitreise: „Modern“ heißt rückblickend nicht immer „gut“. Das träfe wohl auch auf die Gartengestaltung zu, die zurzeit als „modern“ gelte: mit geraden Linien konstruierte, streng formale Hausgärten, dominiert von grauen Stein- und grünen Rasenflächen. Blumen suche man hier vergeblich, so Schevel. Die Folgen: Verschlechterung des Kleinklimas, Verringerung der Artenvielfalt, Verarmung der Gartenkultur und Entfremdung von der Natur.
„Guerilla Gardening“, „Urban Gardening“, „Vertical Gardening“
Doch es weht ein frischer Wind durch die Gartenkultur. Schevel zeigte, wie eine junge Generation modernes Gärtnern in der Stadt interpretiert: öffentliche Seitenstreifen an den Straßen, die Anwohner zum Blühen bringen, Balkone, auf denen es auf kleinstem Raum üppig grünt und gedeiht, sowie Gemeinschaftsgärten zwischen Hochhäusern, deren Hochbeete auf versiegelten Flächen eine reiche Ernte bringen: „Guerilla Gardening“ und „Urban Gardening“ – ebenfalls Formen des modernen Gärtnerns. Um den wenigen Platz zum Gärtnern in der Stadt effektiv nutzen zu können, entwickelte man neue Methoden des „Vertical Gardenings“ – die Nutzung der Vertikalen. Wo man keinen oder wenig Platz für Beete oder Hochbeete hat, werden eben die Wände gleich mitbegrünt.
Fit für die Stadt: robuste Pflanzen
Der Lebensraum Stadt biete den Pflanzen jedoch ganz andere Bedingungen als ein Garten auf dem Lande. Pflanzen für das urbane Gärtnern müssten hitze- und trockenheitstolerant sein, robust und gesund wachsen, betonte Schevel und stellte u.a. entsprechende Blumen-Neuheiten aus dem Begoniensortiment von Volmary vor: die Andenbegonien ‘La Paz’, die Hängebegonien ‘Belina Orange’ und ‘Rosana Champagner’, die Solitärbegonie ‘Big Red’ und die Drachenflügelbegonie ‘Dragon Wing’, ebenso die Blattschmuckbegonie ‘Beleaf’.
Foto: Volmary GmbH
Stadt- und Balkongärtner bepflanzen oft sehr kleine Gefäße, z.T. werden dafür auch alte Schuhe oder Tetrapacks kreativ „zweckentfremdet“. Dafür empfahl Schevel kleinwüchsige, trockenheitsresistente und ausdauernde Pflanzen wie Sternmoos, Fetthenne und die Staudenmittagsblume ‘Jewel of Desert’.
Foto: Volmary GmbH
Pflanzen für die vertikale Kultur
Foto: Volmary GmbH Vertikales Gärtnern vergrößere nicht nur die Anbaufläche, es verbessere die Luft, verschaffe Kühlung durch Verdunstung und verschönere unsere Städte. Der Fachhandel bietet dafür diverse Lösungen, wie z.B. stapelbare Pflanzgefäße. Natürlich könne man auch improvisieren und z.B. Blumentöpfe an hochgestellten Europaletten fixieren. Gut geeignet für das vertikale Gärtnern seien Nordwände, denn intensive Sonneneinstrahlung sei problematisch. Bewässerung, Düngung und eine gute Drainage seien zu gewährleisten – und natürlich müssen auch hier die Pflanzen zum Lebensraum passen. Als mehrjährige Bewohner vertikaler Lebensräume empfahl Schevel u.a. Purpurglöckchen, Segge und Fetthenne, unter den einjährigen eignen sich Geranie, Zauberglöckchen, buntlaubige Süßkartoffel (Ipomoea), Duftsteinrich ‘Lucia’ und Volmarys bunte Beetpflanzen-Trios („Vaticanao“, „Andorra“, „Caledonia“).
Foto: Volmary GmbH Eine einfache Möglichkeit des vertikalen Gärtnerns: der Einsatz von Kletterpflanzen. Sie bieten einen mit leuchtendem Flor geschmückten Sichtschutz, wachsen gesund und robust, sind einfach zu bewässern und zu düngen – und über die Statik müssen Sie sich dabei nicht den Kopf zerbrechen. Schevel empfahl die Schwarzäugige Susanne ‘Arizona Glow’, ‘Arizona Lemon Sunrise’ und ‘Arizona Terracotta’.
Als Kontrastprogramm dazu zeigte Schevel zum Ende seines Vortrags noch einmal Bilder blütenloser Designergärten, die er „Zombie-Gärten“ nannte. In seinem Schlussplädoyer für die Blume verdeutlichte er den Zuhörern, wie wichtig ihre Rolle dabei sei, die Wertschätzung der Blume der nächsten Gärtnergeneration zu vermitteln, damit gärtnerisches Wissen und ein Herzstück der Gartenkultur nicht verloren gingen.
Fazit
Wieder einmal waren nicht nur die Vorträge informativ, sondern auch die Gespräche mit den Experten auf den Versuchsfeldern und an den Mitmachstationen – und natürlich der informelle Austausch unter den Gartenfreunden. So manchen Impuls zu den modernen Formen des Gärtnerns werden die Teilnehmer auch im eigenen Garten umsetzen und an Gartenfreunde in ihren Vereinen und Verbänden weitergeben. Die Aussteller freuten sich über die rege Teilnahme. Nach der traditionellen und abschließenden Pflanzen-Verlosung machten sich alle zufrieden auf den Heimweg.
Foto: Verlag W. Wächter
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