- Kleingartenwesen
Junge Fachberatung
Junge Fachberater in Vereinen und Verbänden
Foto: Keller/Verlag W. Wächter
Meine Eltern haben einen Kleingarten, und da ich schon als kleines Kind immer gut mit Pflanzen konnte und mir das Gärtnern Spaß gemacht hat, habe ich mich bei dem Kurs angemeldet.“ Elf Jahre ist es her, dass Miriam Soboll im Infokasten ihres Kleingärtnervereins einen Aushang über eine Fachberater-Ausbildung sah und sich entschloss, Fachberaterin zu werden. „Die Ausbildung zum Fachberater war bei uns schon sehr vielseitig, es geht ja nicht nur darum, etwas auszusäen, sondern auch zu wissen, wie z.B. die Zulassung einer Sorte abläuft.“
Heute ist sie mit gerade mal 30 Jahren Fachberaterin des Landesverbandes Niedersächsischer Gartenfreunde – und zurzeit die wohl jüngste Landesfachberaterin in Deutschland. Im April dieses Jahres übernahm sie diese Aufgabe. Und sie hat einiges vor: „Ich möchte das Kleingartenwesen weiter nach vorne bringen. Wenn man in den Zeitungen etwas über Kleingärtner liest, könnte man meinen, dass sich das Kleingartenwesen in den letzten Jahrzehnten nicht weiterentwickelt hat; das stimmt einfach nicht und das muss man nach außen tragen.“
Leidenschaft teilen
Das will auch Christian Wauer aus Dresden. Er ist mit ebenfalls 30 Jahren Gartenfachberater im Kleingärtnerverein „Am Tummelsbach“ in der sächsischen Landeshauptstadt. „Die Stelle als Fachberater war seit einem Jahr nicht mehr besetzt. Und da ich einiges Fachwissen habe, hat man mich gefragt, ob ich den Job übernehme.“ Anders als Miriam Soboll, die Gartenbauwissenschaften studiert hat, hat Christian Wauer keine Ausbildung in einem „grünen Beruf“. Er hat sich sein Fachwissen größtenteils selbst angeeignet. „Ich bin auf einem Dorf aufgewachsen, bei mir zu Hause haben wir viel selbst angebaut. Als ich nach Dresden zog, war das erste, was ich mir gegönnt habe, ein Kleingarten – neben meiner Wohnung.“ Seine Motivation: Er möchte sich sein Gemüse selbst anbauen – schmackhaft und frei von chemischen Mitteln.
Christian Wauer und Miriam Soboll eint nicht nur ihr junges Alter, sondern auch die Freude an der Fachberatung, daran, sich ehrenamtlich zu engagieren und Fachwissen sowie die Leidenschaft fürs Gärtnern mit anderen zu teilen.
Verantwortung übernehmen
Junge Fachberater und Fachberaterinnen, die dazu beitragen, das Kleingartenwesen zu verjüngen, sind bislang noch die Ausnahme. Dabei gibt es viele junge Leute, die an den kostengünstigen und umfassenden Fachberater-Schulungen teilnehmen – allerdings oft nur zum Selbstzweck. „Zu wenige von ihnen übernehmen nach der Ausbildung Verantwortung und werden in Verein oder Verband Fachberater, das ist bedauerlich“, so Thomas Kleinworth, langjähriger Landesfachberater aus Schleswig-Holstein.
Die mangelnde Bereitschaft, Fachberater zu werden, ist sicherlich typisch für eine Zeit, in der die Menschen immer weniger bereit sind, ein Ehrenamt zu übernehmen, in der auch Gartenfreunde immer mehr Möglichkeiten haben, die knapp bemessene Freizeit zu gestalten, und in der immer mehr Menschen nach persönlicher Selbstverwirklichung streben, statt sich gesellschaftlich zu engagieren. Dabei schließt sich das nicht aus – im Gegenteil: „Man muss mehr nach außen tragen, dass die Fachberatung vor allem Spaß macht, viele sehen erstmal nur die Arbeit, die man auch noch umsonst macht“, so Soboll.
Auch Christian Wauer kann nicht nachvollziehen, dass einige junge Gartenfreunde zwar die Ausbildung zum Gartenfachberater „mitnehmen“, sich dann aber nicht mehr einbringen: „Man geht doch in einen Verein, um anderen zu helfen. Man kann nicht immer nur nehmen, sondern sollte auch geben. Es ist schade, wenn einige neue Mitglieder nur ihre Ruhe haben wollen, das versteh ich nicht.“
Freiräume lassen
Das mangelnde Engagement kann aber auch andere Ursachen haben. „Man muss den jungen Fachberatern auch Freiräume lassen“, so Kleinworth. Die jungen Fachberater machen eben manches anders als in der Vergangenheit. Das gefällt nicht jedem alteingesessenen Gartenfreund, der die Dinge „schon immer so“ gemacht hat. Verständlicherweise ist die Bereitschaft nur gering, etwas zu ändern, was sich bewährt hat – und das lässt man die jungen Fachberater manchmal spüren.
Foto: André Wirsig
„Man muss den jungen Fachberatern die Chance geben, Verantwortung zu übernehmen, und ihnen dann die Verantwortung lassen. Die Fachberatung eines 20-Jährigen sieht eben anders aus als die eines erfahrenen Gartenfreundes. Man muss dem Nachwuchs Fehler zugestehen und ihn auch neue Wege gehen lassen.“, so Kleinworth. Ähnlich sieht das Soboll: „Wenn man gleich von älteren Leuten ausgebremst wird, ist das nicht besonders motivierend. Da muss man manchmal schon ein dickes Fell haben. Viele gehen dann lieber zum Fußball als sich mit anderen Gartenfreunden herumzuärgern.“
Auflockern statt Umgraben
Miriam Soboll kennt diese Gespräche mit den „alten Hasen“, die sich nicht immer überzeugen lassen. „Das fängt beim Umgraben an, viele möchten nicht glauben, dass es oft reicht, nur noch die oberste Schicht aufzulockern, weil man sonst den toten Boden nach oben holt.“ Auch beim Thema Pflanzenschutz, bei der Düngung oder dem Mulchen gibt es manchmal unterschiedliche Ansichten. Auch Christian Wauer stößt nicht immer auf Verständnis, wenn er der Natur einen Platz im Garten lässt und auch mal etwas wild wachsen lässt.
Für Soboll und Wauer sind das aber keine Gründe sich zu ärgern. Immerhin haben die älteren Gartenfreunde ihre Erfahrungen gesammelt, und oft kann man sie trotzdem überzeugen. Außerdem ist es ja nicht unbedingt Aufgabe der Fachberatung, erfahrene Gartenfreunde von etwas zu überzeugen, sondern vor allem unerfahrenen Kleingärtnern zu helfen.
Meistens funktioniert die Zusammenarbeit von Jung und Alt aber bestens. Miriam Soboll lässt sich z.B. immer noch von ihrem Vorgänger Peter Kahle beraten. „Es ist doch super, wenn wir jungen Leute auf die Erfahrungen der Älteren zurückgreifen können. Andersherum kriegen die von uns auch Neues mit.“ Auch Kahle ist von seiner jungen Nachfolgerin begeistert: „Es macht Spaß, mir ihr zusammenzuarbeiten. Ich denke, dass sie die Fachberatung in eine ganz andere Richtung lenken wird. Sie bringt da neue Themen rein und kann sich auch durchsetzen. Sie kommt gut an und ist ein Vorbild.“
Der Blick in die Zukunft
Das Kleingartenwesen verjüngt sich, und mit ihm auch die Fachberatung. Beim Blick in die Zukunft ist Soboll optimistisch: „Dieses Jahr hatten wir bei uns im Fachberater-Lehrgang den bislang niedrigsten Altersdurchschnitt. Es wäre toll, wenn möglichst viele von den Teilnehmern sich künftig als Fachberater engagieren würden.“
Auch Christian Wauer hofft, dass zukünftig noch mehr junge Gartenfreunde Fachberater werden wollen. „Wichtig ist hier auch die Zusammenarbeit mit dem Vorstand. Ich bin zwar nicht im Vorstand, werde aber immer zu den Sitzungen eingeladen, und mein Rat ist gefragt.“ Um Schwellenängste abzubauen, sollte man Interessenten vielleicht erstmal nur ein kleines Projekt anvertrauen, rät Wauer, etwa einen Kräuterlehrpfad als eine Art Schnupperkurs für die Gartenfachberatung also. Vielleicht eine Idee, wie man zukünftig noch mehr junge Gartenfreunde für die Fachberatung begeistern kann.
sök